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Ausgehen und rumstehen von Marie-Sofia TrautmannEs besser mit der Welt aufnehmen

Ich komme vom Dorf. Ja, so richtig, mit Kühen und allem. Deshalb hat Berlin natürlich eine Menge zu bieten, das ich ehrfürchtig und mit aufgerissenen Augen betrachte und auf meine „To try“-Liste kritzele. Museen und Theater, klar, aber auch riesige Märkte, auf denen es nicht nur Möhren und Spargel gibt oder richtiges ausländisches Essen, fernab von Döner mit Sauce Hollandaise (ja, das wird am Niederrhein verkauft).

Nichts allerdings hat bis jetzt meine Aufmerksamkeit so erregt wie ein Restaurant, in dem es von morgens bis spät abends nur eine Form der Mahlzeit gibt: das Frühstück! Wenn Berlin, diese riesige Stadt mit „allen Möglichkeiten“, auf eins stolz sein kann, dann doch auf dieses kulinarische Angebot. Welche Mahlzeit ist tröstlicher, gemütlicher, macht glücklicher? Welche Mahlzeit strahlt mehr aus, dass etwas Neues beginnt, für das man sich stärken muss?

Frühstück ist vielfältig, von pfeffrigem Rührei bis zahnschmerzsüßer Marmelade ist alles dabei. Frühstück ist nachsichtig, vom ersten Espresso bis zum späten Brunch kann alles dazugezählt werden. All diese Vorteile bietet das Benedict Breakfast in Berlin zu jeder Tageszeit. Die Speisekarte bildet die ganze internationale Bandbreite an Frühstücksversionen ab: amerikanisches Pancake-Frühstück, französisches petit-déjeuner mit Croissant, irakisches Frühstück mit Aubergine und Sesam-Dip, nordafrikanische Pfannengerichte und natürlich auch fettige Würstchen mit scharfem Senf.

Die Gründe, die in dieses kleine Restaurantwunder führen, scheinen so verschieden zu sein wie die Gäste, die ich beobachte: Ein verkateter Student mit Bagel und Kaffee sitzt neben einer illustren Runde, die zu ihrem rustikalen britischen Frühstück Gin Tonic bestellt, und einem Pancake-Date, bei dem die vorsichtige Annäherung über den Austausch von Marmelade und Schokosauce gut zu funktionieren scheint.

Alle vereint die Übereinkunft, dass es zu den großen Missverständnissen der Menschheit gehören muss, Frühstück nur als die erste Mahlzeit des Tages zu verstehen. Selten schlagen Speisekarten in meinen Ohren einen so strengen Ton an, wie wenn sie, fettgedruckt und kursiv, erklären: Frühstück nur bis 12 Uhr (wenn die Grenze schon bei 11 Uhr liegt, bin ich das letzte Mal dort gewesen). Das unwirsche und ein wenig missbilligende Kopfschütteln der KellnerInnen auf die Nachfrage, ob man nicht doch vielleicht eventuell ausnahmsweise nur heute noch ein Croissant und so weiter, gehört zu meinen traurigsten Café-Erfahrungen. In Deutschland kann man ohne größere soziale Sanktionen am frühen Vormittag Weißwürste und ein Bier verschlingen, aber nachmittags ein kleines französisches Frühstück? Um Gottes willen.

Die optimistische „Packen wir es an“-Stimmung eines Frühstücks ist jederzeit ermutigend, und die Gewissheit, es nach diesem Toast ein bisschen besser mit der Welt aufnehmen zu können, vermag kein Mittag- oder Abendessen auf die gleiche Weise zu vermitteln. Ich weiß jetzt also, wo in Berlin ich immer von einem heißen, duftenden Frühstück empfangen werde.

An eventuelle Café-BesitzerInnen, die diesen Text lesen: Überdenkt doch vielleicht eure Frühstückspolitik. Viele Menschen auf der Suche nach einer kleinen Pause im Alltag, nach der man sich wieder ausgeschlafen und erfrischt fühlt, würden es euch danken! Und falls ihr eine blonde Frau auf der verzweifelten Suche nach Frühstück seht, bin das dann wohl ich. Tut mir den Gefallen und gebt mir mein Rührei und den French Toast, auch nach elf.

An manchen Tagen muss man um 17.30 Uhr einfach noch einmal neu anfangen.

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