Ausfälle durch Fahrzeugprüfungen: Es fährt kein Zug nach nirgendwo
Den Güterbahnen steht eine schärfere Fahrzeugüberwachung bevor. Berlin bekommt bereits zu spüren, was das bedeutet.
Nach dem schweren Güterzugunglück von Viareggio steht den Güterbahnen eine schärfere Überwachung ihrer Fahrzeuge bevor. Bis Freitagmittag hatten mehrere hundert Besitzer und Betreiber von Güterwaggons Zeit, Briefe beim Eisenbahnbundesamt (EBA) abzuliefern. Darin sollten sie erklären, wie sie die Achsen ihrer Fahrzeuge in verkehrssicherem Zustand halten wollen. Ob die Beamten anschließend kürzere Wartungsintervalle anordnen, ist noch unklar, betont die Sprecherin des Amtes.
Damit reagieren die Beamten darauf, dass sich in den letzten Jahren die Unfälle mit gebrochenen Waggonachsen gehäuft haben. Die Katastrophe im italienischen Viareggio Ende Juni, wo nach dem Bruch einer Radsatzwelle 24 Menschen durch die Explosion eines entgleisten Tankwaggons starben, war der folgenreichste Unfall dieser Art. Noch vor zwei Jahren hatte das Eisenbahnbundesamt den Betreibern nur allgemein aufgetragen, dass sie "geeignete Verfahren" zur Prüfung ihrer Räder anwenden sollten und das dokumentieren müssten. Nun fürchten die DB und ihre Konkurrenten, dass konkrete Vorgaben folgen - so wie bei der Berliner S-Bahn. Die hatte sich nach einem Radbruch Anfang Mai verpflichtet, ihre Räder wöchentlich zu prüfen, ohne noch über die entsprechenden Kapazitäten zu verfügen. Als das Eisenbahnbundesamt feststellte, dass die DB-Tochter die Tests nicht wie versprochen durchführte, griff es durch: Ab kommenden Montag fahren in der Hauptstadt nur noch ein Drittel der S-Bahnen; die Verkehrssenatorin überlegt nun fieberhaft, wie das absehbare Verkehrschaos zu verhindern sei.
Die EU fordere zunehmend Risikovorsorge im Eisenbahnverkehr und darauf reagiere das Eisenbahnbundesamt nun zögernd, interpretiert Markus Hecht, Professor für Schienenfahrzeugtechnik an der TU Berlin, die Entwicklungen. Der Aktionsradius der Beamten im Eisenbahnbundesamt sei jedoch sehr beschränkt - vor allem, weil das Verkehrsministerium häufig bremse. Als die Behörde vor drei Jahren beispielsweise einem Containerwagen aufgrund veralteter Technik die Zulassung verweigern wollte, habe es eine Anweisung von oben gegeben - und der Waggon durfte auf die Gleise.
Tatsächlich versteht sich das Eisenbahnbundesamt als reine Kontrollbehörde. "Wir reagieren, wenn zwischen dem Ist- und dem Sollzustand ein Delta festgestellt wird", beschreibt EBA-Sprecher Ralph Fischer das Vorgehen. Einen Überblick über die Unfallentwicklung der vergangenen Jahre habe das Amt nicht, behauptet er. "Wir prüfen nur Einzelfälle." Ob zunehmend auf Verschleiß gefahren werde - keine Ahnung. Das einzige, was er einräumt, ist, dass die Anordnungen nach der ICE-Entgleisung in Köln und dem S-Bahn-Achsbruch in Berlin größere Folgen hätten als frühere EBA-Anweisungen.
"Das Eisenbahnbundesamt, die Industrie - alle schwimmen", sagt Professor Hecht. Bei vielen technischen Fragen mangele es an vernünftigen Kriterien. Denn während etwa 1.500 staatliche Forscher die Sicherheit von Automobilen untersuchten, gäbe es etwas Vergleichbares im Eisenbahnbereich nicht. Nicht der Stand der Technik sei in Deutschland das zentrale Kriterium, sondern der Bestandsschutz der vorhandenen Fahrzeuge, so Hecht.
Bei vielen technischen Fragen mangele es an vernünftigen Kriterien
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