: Ausdauernder Paradebayer
„Das ist ein Gefühl von absoluter Freiheit.“ Im taz-Gespräch hat Tobias Angerer einmal versucht zu beschreiben, was ihn an Langlauf so fasziniert. „Ich schinde mich gern“, sagt er noch. Angerer, der 32-jährige Oberbayer aus Traunstein, sagt, dass „du schon ein bisschen verrückt sein musst, wenn du Ausdauersport machst“. Er war mal der beste Langläufer der Welt. 2006 und 2007 gewann er den Gesamtweltcup. Ein Superstar des Wintersports ist er nicht geworden. Als er am Samstag Silber in der Doppelverfolgung über je 15 Kilometer in klassischer und freier Technik gewonnen hat, war das eine Riesenüberraschung.
Aber weil Angerer noch nie Gold bei wichtigen Meisterschaften gewonnen hat, gilt er als Problemfall. Und das, obwohl er bereits zehn Medaillen bei Großereignissen geholt hat. Die silberne von Whistler war bereits seine vierte bei Olympischen Spielen. Sechsmal hat Angerer bei Weltmeisterschaften Edelmetall gewonnen. Er war 2002 dabei, als in Salt Lake City zum ersten Mal in der Langlaufhistorie eine deutsche Staffel eine Medaille gewinnen konnte.
Somit steht er wie kein Zweiter für den Aufschwung, den der Langlaufsport in Deutschland im letzten Jahrzehnt genommen hat. Von diesem Aufschwung war in Vancouver bis zu Angerers zweitem Platz hinter dem Schweden Marcus Hellner und vor dessen Landsmann Johan Olsson allerdings nicht mehr viel zu sehen. Die Frauen mussten sich von Bundestrainer Jochen Behle gar als trainingsfaul bezeichnen lassen. Vier Medaillen wollte man gewinnen, so lautete das von Behle formulierte Olympiaziel für das Langlaufteam. Dank Angerer lebt diese Hoffnung weiter. Und dank eines Schweizer Betreuers. Als der Sportsoldat im Gewimmel beim Skiwechsel einen Stock verloren hatte, reichte der ihm einen Ersatzstecken. Angerer schlüpfte umgehend in die Rolle des sportelnden Paradebayern: „Dem spendier ich eine Kiste Weißbier.“
Laufen wird er wieder am Montag im Teamsprint, am Mittwoch in der Staffel und am Sonntag klassisch über 50 Kilometer. „Da könnte dann mein Alter zum Vorteil werden, da zehren die Alten von ihrer Substanz, während die Jungen ihr Pulver schon verschossen haben“, hofft Angerer.
ANDREAS RÜTTENAUER