Auschwitz-Prozess gegen SS-Sanitäter: Ist er halbtot oder simuliert er nur?
Für die Verteidigung ist der Angeklagte „sterbenskrank“, der Staatsanwalt hält das für eine Inszenierung. Jetzt will das Gericht seine Gesundheit umfassend prüfen lassen.
Das Gericht will nun in Absprache mit der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung veranlassen, dass der Gesundheitszustand des Angeklagten in einem Krankenhaus umfassend geprüft wird. Erst wenn die Ergebnisse vorliegen, könnte die Hauptverhandlung neu beginnen.
Dem ehemaligen Landarbeiter aus einem Dorf in der Nähe Neubrandenburgs wird Beihilfe zum Mord in 3681 Fällen vorgeworfen. Er war im Sommer 1944 zur Sanitätsstaffel der SS im Konzentrationslager (KZ) Auschwitz-Birkenau abkommandiert. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft war ihm klar, dass in dem KZ Menschen systematisch und industriell getötet wurden. Er habe sich in den Betrieb des Lager „unterstützend eingefügt“.
Der Angeklagte wurde als SS-Mann bereits Ende der 1940er Jahre von einem polnischen Gericht zu vier Jahren Haft verurteilt, die er auch verbüßte. Gegenstand des Verfahrens war nach Angaben der Verteidigung jedoch eine frühere Einsatzzeit in Auschwitz-Birkenau.
Bluthochdruck als Druckmittel
Staatsanwalt Thomas Bardenhagen kritisierte nach der Aussetzung des Verfahrens, das Gericht habe sich bei der Feststellung der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten bislang „nicht mit Ruhm bekleckert“. Eine gründliche Untersuchung hätte bereits in der vergangenen Woche vom Gericht angeordnet werden können, nachdem der 95-Jährige einer entsprechenden Empfehlung einer Amtsärztin freiwillig nicht gefolgt sei.
Zum von der Verteidigung mit Hilfe verschiedener Expertisen dargestellten Gesundheitszustand sagte Bardenhagen: „Ich halte das für eine Inszenierung der Verteidigung.“ Die Staatsanwaltschaft beantragte unter anderem zu prüfen, ob der Angeklagte Medikamente einnehme, die den Blutdruck erhöhen. Bluthochdruck ist eine der vielen Diagnosen, die dem Angeklagten bescheinigt wurden.
Sein Verteidiger Peter-Michael Diestel bekräftigte hingegen seine Auffassung, dass der Prozess einem Todesurteil für seinen Mandanten gleich käme. Der Angeklagte sei „sterbenskrank“, sagte Diestel am Rande des Verfahrens. Das hätten acht Gutachter bestätigt. „Die Chance ist groß, dass er hier im Verhandlungssaal stirbt.“
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