piwik no script img

Ausbildung für MigrantenDie Lehrstelle als Motivationsspritze

Wenn Migranten eine Ausbildung absolvieren, ziehen sie in Sachen Karriere mit den Deutschen gleich. Der Sprung auf die Hochschule ist aber noch immer extrem schwer.

In Berlin haben gerade 3,5 Prozent der Migranten aus der Türkei einen Hochschulabschluss. Bild: ap

"Berlin braucht dich!" Mit diesem Slogan wirbt der Berliner Senat an den weiterführenden Schulen der Stadt gezielt um Jugendliche mit Migrationshintergrund: Sie sollen sich um einen Ausbildungsplatz im öffentlichen Dienst bewerben. "Mit unserer Kampagne haben wir innerhalb von zwei Jahren den Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund an allen Auszubildenden auf 16 Prozent verdoppelt", sagte der Berliner Integrationsbeauftragte, Günter Piening. "Die TIES-Ergebnisse zeigen einmal mehr, wie wichtig solche Kampagnen sind."

TIES (The Integration of the European Second Generation) ist ein internationales Forschungsprojekt, das die Integration von Einwanderern der zweiten Generation aus der Türkei, Exjugoslawien und Marokko in 15 Großstädten in acht europäischen Ländern erforscht. In Deutschland sind Frankfurt/Main und Berlin dabei, am Montagabend wurden erste Ergebnisse der Berliner Befragungen präsentiert. Eines davon: Schaffen es junge Migranten bis in eine Lehrstelle, dann ziehen sie in Sachen Arbeitsmarktintegration mit den Deutschen gleich.

So sind von den türkischstämmigen Einwanderern, die eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, mehr fest angestellt (80,2 Prozent) und weniger arbeitslos (13,5 Prozent) als bei der deutschen Vergleichsgruppe (76,3 beziehungsweise 19,3 Prozent). "Das duale Ausbildungssystem hat sich in der zweiten Generation bewährt", sagte der Osnabrücker Migrationsforscher Michael Bommes, dessen Team den deutschen Teil der Studie durchführt. "Während von der Schule eine systematische Entmutigung ausgeht, führt das duale System zur Ermutigung."

Doch auch bei der Schule sehen die Ergebnisse der TIES-Studie nicht ganz so düster aus wie gewohnt. So haben nur 3,9 Prozent der befragten türkischstämmigen Einwanderer keinen Schulabschluss, 41,2 Prozent keinen Berufsabschluss. In anderen Untersuchungen - die allerdings nicht genau auf diese Zielgruppe fokussiert sind - liegen die Werte weit höher.

"Unserer Erfahrung entspricht das nicht", sagte Berrin Albpek, die Vorsitzende der Förderation der Türkischen Elternvereine, bei der Präsentation der TIES-Ergebnisse ungläubig. Auch der Integrationsbeauftragte Piening zweifelte die Zahlen an. Migrationsforscher Bommes aber verwies darauf, dass in den meisten Fällen zwar der Schulabbruch erfasst werde, nicht aber eine mögliche spätere Integration in den Arbeitsmarkt.

Genau solche Fragen soll die TIES-Studie nun beantworten. Welche Brüche gibt es? Wann klappt der Wiedereinstieg? Wo ist der point of no return, wie es der Berliner Integrationsbeauftragte nannte? Die Forscher führten dazu lange Interviews, in denen unter anderem die Bildungskarrieren der Befragten detailliert erfasst wurden. In Berlin befragten sie insgesamt 253 Einwanderer mit türkischem und 202 mit jugoslawischem Hintergrund, dazu als Kontrollgruppe 250 Deutsche ohne Migrationshintergrund. Sie alle waren zwischen 18 und 35 Jahre alt und haben das deutsche Bildungssystem von Beginn an durchlaufen. Auffällig viele der Migranten haben einen deutschen Pass, was nach Angaben der TIES-Forscher aber Zufall ist. Die Ergebnisse aus Frankfurt liegen noch nicht vor, die Gesamtauswertung mit Interpretationen soll im kommenden Jahr erscheinen.

Vergleicht man die Berliner Ergebnisse mit denen aus den Niederlanden und Frankreich, sieht es gleich wieder düsterer aus. In Amsterdam und Rotterdam studiert fast ein Drittel der zweiten Einwanderergeneration an einer Uni oder einer Fachhochschule oder hat bereits den Abschluss gemacht. In Paris sind es sogar 60 Prozent. "Das ist für die Bundesrepublik nicht einmal eine Vision, das liegt noch weit dahinter", kommentierte Berlins Integrationsbeauftragter Piening diese Ergebnisse. In Berlin haben gerade 3,5 Prozent der Migranten aus der Türkei und 4,7 Prozent aus Exjugoslawien einen Hochschulabschluss.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • HL
    Hans Lotus

    An Hans Kuminall:

     

    Sich nicht äußern wollen, aber mal mit der Rassismus-Keule wedeln, nicht wahr? Geht's noch platter? Erzählen Sie doch mal, wo mein Kommentar nun genau rassistisch und uninformiert war. Und inwieweit Tatsachen rassistisch sein können ...

  • HK
    Hans Kuminall

    Zu den vorigen, rassistischen und uninformierten Kommentaren äußere ich mich nicht weiter.

     

    Ein typisches Problem von Verbleibs- und Absolventenstudien (in diesem Fall Schul- und Ausbildung) ist ihr Design als einmalige Befragung. Damit ist es unheimlich schwierig zu erfassen, ob Leute auf anderen Wegen, etwa dem 2. Bildungsweg etc., einen Schulabschluss erreicht haben. Zusätzlich kann die Zahl der "Jugendlichen mit Migrationshintergrund" ohne Schulabschluss je nach Studiendesign (z.B. durch Stichtag, Alterbeschränkungen, ...) erheblich schwanken.

    Diese Problematik trifft für die amtliche Statistik im Übrigen genauso zu. Amtliche Schulstatistiken sind leider keine besonders verlässliche Quelle darüber, wer im Laufe seines Lebens welchen Schulabschluss erreichen wird.

  • L
    Leidkultur

    Hätten Deutschland nicht so viele Integrations- Migrations-, Ausländerforscher, Integrations-, Migrations-, Ausländer-, ausländischeFrauen-Beauftragte, Sozialforscher, Zuwanderungserforscher, Zuwanderungsgründeerforscher, Wanderungszielforscher, Ergründung-und Motivationsforscher für Wanderbewegungen und andere Pappnasen zu bezahlen, könnte man das für diese Gestalten verschleuderte Geld gleich in das eigentliche Bildungssystem pumpen- d.h. vollfinanzierte Kindergärten, Schulen mit mind. 2 Lehrern pro Klasse bei Übersteigen des Ausländeranteils von 20%, Nachhilfeunterricht, Hasuaufgabenbetreuung etc.pp. Vergessen könnte man auf teure Werbekampagnen wie "Du bist die BRD" und " Mustafa malocht für Deutschland".

  • HL
    Hans Lotus

    Wieder so ein "herrlicher" Artikel der taz - völlig an der Wirklichkeit vorbei! Deswegen mal Klartext:

     

    1) In Berlin (gutes Beispiel weil hier sehr viele Türken leben) leben 50% der türkischen Migranten von Hartz IV und 75% haben keinen Schulabschluß.

     

    2) Es ist völlig logisch, daß die Migranten, die es erfolgreich bis zu einer Lehrstelle geschafft haben, dann auch ähnlich erfolgreich sind wie die Deutschen. Nur daß hier zwei Dinge übersehen werden:

     

    a) Was sind schon "Migranten"? Die Probleme machen oft (siehe oben Aufschlüsselung des "Erfolgs" der türkischen Community in Berlin) Migranten aus dem muslimisch-orientalischen Kulturkreis. Migranten aus Polen, Rußland, Spanien, Vietnam, China usw. sind oft noch erfolgreicher als die Deutschen, da ehrgeiziger, weil sie sich etwas erkämpfen wollen. Der ganze Artikel blendet das eigentliche Problem also komplett aus!

     

    b) Die Migranten aus dem muslimisch-orientalischen Kulturkreis erfüllen meistens (siehe oben Aufschlüsselung des "Erfolgs" der türkischen Community in Berlin) nicht mal ansatzweise die für eine Lehrstelle geforderten Fertigkeiten.

     

    Was will uns der Artikel also implizit unterschieben? Die Anforderungen zu senken, damit "die Migranten" besser motiviert seien? So wie die Feuerwehr in Berlin das schon verkündet hat? Das kann nur ein Irrweg sein, der weiteren sozialen Unfrieden hervorrufen wird.