Ausbau des Stromnetzes: Weniger Bürokratie, mehr Beteiligung
Bundeswirtschaftsminister Brüderle will das Stromnetz schneller ausbauen: Der Bund soll zuständig werden, die Bürger sollen mitreden. Kritik bleibt nicht aus.
BERLIN taz | Wie er den Bau von Stromleitungen beschleunigen will, hat Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) gestern in einem Eckpunktepapier vorgestellt. In einem Netzausbaubeschleunigungsgesetz (Nabeg) will er die Planungswege vereinfachen und transparenter gestalten, eine größere Beteiligung der Bürger durchsetzen und technische Voraussetzungen, wie etwa den Bau von Stromspeichern, schaffen.
Dazu sieht das Eckpunktepapier vor, ein bundesweit einheitliches Genehmigungsverfahren einzuführen. Diese "Bundesfachplanung" würde von der Bundesnetzagentur übernommen und anstelle der bisherigen Planungen der Bundesländer treten. Eine "frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit" werde gewährleistet.
Für die betroffenen Gemeinden soll ein "finanzieller Ausgleichsmechanismus für Beeinträchtigungen geschaffen" werden, die diese im Interesse des Gemeinwohls hinnehmen müssten. Daneben ist eine Informationsoffensive der Bundesregierung gemeinsam mit Netzbetreibern und Umweltverbänden vorgesehen. Auf europäischer Ebene will Brüderle klare rechtliche Rahmenbedingungen für grenzüberschreitende Stromleitungen schaffen sowie eine Initiative starten, um umweltrechtliche Vorgaben zugunsten des Infrastrukturausbaus abzubauen.
Das Papier weise in die richtige Richtung, sagt Peter Ahmels, Energieexperte der Deutschen Umwelthilfe. Eine Bundesfachplanung zu installieren sei genau so wünschenswert wie der Vorschlag, in den Behörden private Projektmanager einzusetzen, die sie bei bürokratischen und formalisierten Vorgängen entlasten könnten. Jetzt komme es auf die Umsetzung des Papiers an, das in einigen Punkten noch vage bliebe.
"Die Hemmnisse beim Netzausbau liegen nicht bei den Gemeinden", kommentiert Norbert Portz vom Deutschen Städte- und Gemeindebund die Pläne des Wirtschaftsministers. Gefordert seien vielmehr die Netzbetreiber, die ihre Planungsverfahren offener und effizienter gestalten müssten. Die kommunale Planungshoheit sei grundgesetzlich geschützt und dürfe nicht angetastet werden.
In der politischen Debatte werde die mangelnde Akzeptanz neuer Stromleitungen überbetont, kritisiert Christian Hey, Geschäftsführer des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU). Natürlich seien lange Planungsverfahren ein Grund für die Verzögerungen beim Netzausbau. Doch hätten auch die Investoren bislang kein großes Interesse am Bau neuer, teurer Stromleitungen gezeigt. Auch da müsse der Gesetzgeber nachhelfen, so Hey. Die Deutsche Energieagentur (Dena) hatte im vergangen Herbst einen Bedarf von 3.600 Kilometer neuen Stromnetzen errechnet.
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