Aus für Feministen-Zeitschrift: Tschüss, Schwester!
Keine "beiträge zur feministischen praxis" mehr: Nach 30 Jahren wird die älteste Zeitschrift der autonomen Frauenbewegung ganz leise eingestellt.
Sie war ein Kind der Frauenbewegung. Sie hat deren Konflikte ausgetragen. Und nun geht sie zusammen mit vielen Protagonistinnen der Frauenbewegung in Rente: Die Zeitschrift beiträge zur feministischen theorie und praxis, Zentralorgan der autonomen Frauenbewegung, wird am 7. März offiziell eingestellt.
Der Verlag könne sich nicht mehr tragen, heißt es in einem Schreiben an die AbonnentInnen: "Die hohen Produktionskosten stehen nicht mehr im Verhältnis zu den Einnahmen." Die Auflage der Zeitschrift ist von 3.000 Exemplaren vor 10 Jahren auf 600 gesunken. Zudem sei es für das ehrenamtlich arbeitende Redaktionsteam "immer schwieriger geworden, Autorinnen zu gewinnen".
1978 waren die beiträge ein revolutionäres Unternehmen. Sozialwissenschaftlerinnen begannen an den Universitäten, die implizit patriarchatsstärkenden Annahmen der Disziplinen auseinanderzunehmen. "Der blinde Fleck in der politischen Ökonomie" hieß etwa Claudia von Werlhofs Text im ersten Heft: Hausfrauen sicherten durch ihre unbezahlte Arbeit den Mehrwert des Kapitals, so lautete ihre Verbindung von Kapitalismuskritik und Feminismus.
Die "Bielefelderinnen" um Maria Mies, von Werlhof und Veronika Bennhold-Thomsen formulierten in den beiträgen ihre berühmt gewordenen "Postulate zur Frauenforschung", in denen unter anderem "Parteilichkeit" als Gegenentwurf zu einer nur scheinbaren wissenschaftlichen "Objektivität", die implizit Herrschaftsverhältnisse stabilisiert, gefordert wurde. Die beiträge waren die erste Zeitschrift, die solche Debatten bündelte und vorantrieb.
Neu war auch, dass man interdisziplinär vorging und zudem noch versuchte, Theorie mit der Perspektive von Praktikerinnen zu verbinden. Sie waren lange auf der Höhe der Debatte, hatten etwa die Reproduktionstechnologien schon längst auf der Agenda, bevor andere Medien sie als Thema entdeckten. Schon 1983 beschäftigten die beiträge sich mit der Zukunft der Frauenarbeit in prekären Beschäftigungsverhältnissen - und prognostizierten, dass auch Männerarbeit in Zukunft "hausfrauisiert" würde. Dabei übten sie, etwa über die Autorin Christa Wichterich, nicht nur einen interdisziplinären, sondern auch einen internationalen Blick.
Der allerdings bewahrte die Zeitschrift nicht davor, von migrierten Frauen des Rassismus bezichtigt zu werden. Denn zwar war die "Dritte Welt" ein Thema, doch die Migrantin im eigenen Land fand im Blatt lange Zeit schlicht nicht statt. Auf einem Kongress wurde der Konflikt ausgetragen - und die beiträge hatten ihre Lektion so gründlich gelernt, dass sie ihrerseits einige Jahre später in der pauschalen Islamkritik von Alice Schwarzer in der Emma Rassismus diagnostizierten: Einer von hunderten von Schwesternstreits war geboren.
Wie der Frauenbewegung die Bewegung abhanden kam, so verloren die beiträge mit der Ausdifferenzierung der Gender Studies allmählich die diskutierlustige Klientel. "Jeder Zweig der Genderforschung hat nun seine eigene Zeitschrift", sagt Mitbegründerin Brunhilde Sauer-Burghard heute.
Der Vorteil der beiträge, immer wieder auch die Praxis einzubeziehen, wird für die Fachleute zudem schnell zum Nachteil: "Die beiträge haben bestimmte Theorieentwicklungen nur eingeschränkt mitvollzogen", sagt Sabine Hark, Leiterin des Zentrums für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der TU Berlin. Ihre Studentinnen würden ohnehin im Netz fündig: "Dass es die beiträge nicht mehr gibt, wird eine Lücke reißen", resümiert Hark, "aber offensichtlich ist diese Zeitschrift nicht mehr das richtige Format." Auf redaktionellen Nachwuchs hofft auch Sauer-Burghard nicht: "Die jungen Frauen sind blind für strukturelle Diskriminierungen", urteilt sie. Und sieht das Projekt beiträge an einem natürlichen Ende: "Die zweite Frauenbewegung ist vorbei. Die dritte müssen andere machen. Und die werden dafür sicher andere Formen finden."
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