■ Aus der guten alten Zeit: Schwere Atemnot am königlichen Hof
Erst fehlten die Bäume, dann kam der Smog. Die industrielle Revolution begann nicht erst im 18. Jahrhundert, sondern bereits im Mittelalter. Ebenso alt ist das nur scheinbar moderne Klagen über die Verschmutzung des Wassers und die Verpestung der Luft.
Der Londoner Smog, berühmt, seit 1952/53 Tausende Menschen daran starben, plagte die Einwohner der englischen Hauptstadt schon seit dem Mittelalter. Um genau zu sein: seit dem 13. Jahrhundert, seit nämlich die Wälder auf der Insel, wie fast überall sonst in Europa, so gründlich abgeholzt worden waren, daß man auf einen anderen Brennstoff auszuweichen gezwungen war: auf Kohle. Von da an war die Luftverschmutzung ständige Begleiterin der Menschen.
1257 wurde die englische Königin Eleanor aus ihrem Schloß in Nottingham vertrieben durch den Qualm aus den Industrien der Stadt – Ziegel- und Kalköfen, Brauereien und Färbereien, um nur einige zu nennen. Die damals nah an der Erdoberfläche geförderte Kohle war erheblich schadstoffhaltiger als die heute genutzte. Von 1307 ist eine Proklamation von König Edward I. überliefert, die den Gebrauch von Steinkohle in den Brennöfen einiger Londoner Stadtteile unter Strafandrohung verbietet, denn „die Luft ist stark belastet zum Ärgernis der Edlen, der Bürger und anderer, die dort wohnen, und zum Schaden ihrer körperlichen Gesundheit“.
Allein dieser Intervention war, wie so vielen Umweltgesetzen, kein Erfolg beschieden. Die Klagen reißen nicht ab. 1661 beschreibt ein vom König eingesetzter Untersuchungsausschuß eine „teuflische und düstere Wolke von Steinkohle, einen unreinen, dicken, von einem rußigen und schmutzigen Dunst begleiteten Nebel, der durch tausend Beschwerden unerträglich wird“, so daß „Katarrhe, Auszehrung, Husten und Schwindsucht in dieser einen Stadt stärker verbreitet sind als in der ganzen übrigen Welt“.
Die frühe Industrialisierung verseuchte nicht nur die Luft, sondern auch das Wasser. Berüchtigt war das Gewerbe der Gerber, das nicht nur Gestank verbreitete, sondern mit diversen Chemikalien, Gerbsäure, Kalk und Alaun etwa, das Wasser verseuchte und die Fische sterben ließ. Schon früh gab es deshalb Vorschriften, wonach sich Gerber flußabwärts von der Stadt anzusiedeln hätten. Auch die immer zahlreicheren städtischen Schlachthöfe trugen zur Wasserverschmutzung bei.
1388 verabschiedete das englische Parlament das erste landesweite Umweltgesetz, ein kombiniertes Immissionsschutz-, Abwasser- und Abfallgesetz. Es schrieb zum Beispiel vor, daß Abfall aus der Stadt zu verbringen sei und keinesfalls etwa in Flüsse geworfen werden dürfe, weil – und hier zeigte sich der mittelalterliche englische Gesetzgeber klüger als so mancher seiner Nachfolger – andernfalls Krankheiten drohten. Nicola Liebert
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