piwik no script img

Aus den Steinbrüchen der abseitigen Töne

■ Das New Yorker Trio EasSidePercussion setzt die Avantgardehistorie körperlich um

Was auch immer an elektronischer, handgespielter und/oder gesampelter Musik noch kommen und für den Moment die Aufmerksamkeit auf sich zu richten vermag, wie diversifiziert und unübersichtlich die Stile auch sind und sein mögen – es dürfte doch außer Frage stehen, daß sich die Neunziger, oder zumindest die zweite Hälfte davon, als Jahre des Rhythmus einschreiben werden.

Der Darreichungsform „Song“ steht zunehmend ein mehr oder weniger dezentralisierter Mischmasch an Klang und Rhythmus zur Seite. Beide durchdringen sich gegenseitig und werden vor allem jenseits von Orten des Tanzes verbreitet, gehört und gekauft. Und dann gibt es noch die ewige Avantgarde. Denn die ist auch längst nicht mehr rundum glücklich in ihrer lust- und körperfeindlichen Theorie-Ecke und tröpfelt durch mehrere Schleusen in den Spaß-Strom. Wobei die Frage, ob der formale und inhaltliche Anspruch verschwimmt oder sich Wünsche und Wahrnehmung der Masse verfeinern, im einzelnen zu klären ist. Wichtig, wenn auch vor Gericht nicht haltbar, sind dabei biographische Eckdaten.

James Pugliese, Jahrgang 1952, studierte beispielsweise Percussion, arbeitete in Folge mit John Cage und Philipp Glass und spezialisierte sich in mikrotonaler Musik. Christine Bard ist ebenfalls akademische Schlagwerkerin und bewegt sich in der im regen Austausch befindlichen New Yorker Szene um John Zorn, Mark Ribot und Anthony Coleman. Ihre rhythmische Arbeit scheut auch nicht vor elektronischer Tonerzeugung. Michael Evans schließlich sucht seine Klangquellen hauptsächlich nicht in Instrumenten, er komponiert aus abseitigen Geräuschen in der Tradition der „musique concrète“. Zudem spielt er in der wilden Noise-Formation God Is My Co-Pilot.

Dies ist die omnipotente, beeindruckende Rezeptur für das Trio EasSidePercussion: Minimalismus, Elektronik, die Suche nach alternativen Klängen, Rhythmus, gebrochener Rhythmus, Polyrhythmus und/aber auch Spaß. Das Prinzip ist dabei immer wieder neu, schichtend, frei und im Zweifel überraschend. Für ihre erste Platte und erste Tour hat das erst vor kurzem gegründete Trio ihren namhaften Künstlerkreis zu dreißig Kompositionen für Percussion verpflichtet.

So begegnet uns am kommenden Montag in der Markthalle die geballte Kraft und Geschichte der Avantgarde in ihrer denkbar körperlichsten Umsetzung.

Uschi Steiner Mo, 28. Oktober, 21 Uhr, MarX

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen