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40 Jahre

Aus dem taz Buch (2): Frauenredakteurin Warum wir so gehasst werden

taz-Frauenredakteurin? Das ist das Letzte! Ute Scheub rechnete schon 1998 mit jener Zeitung ab, die sie einst mitgründete.

„Taz-Männer paßt auf eure Schwänze auf!“ – Ein Graffiti an der Fassade des taz-Gebäudes in der Weddinger Wattstraße, Protest gegen Pornoseiten in der taz Bild: taz

von UTE SCHEUB

Wir nennen sie Frauenbeaufragte, Frauenministerin, Frauenredakteurin. Die Frauenbewegung hat sie hervorgebracht: die Weiblichkeits-Funktionärinnen. Sie sollen für Chancengleichheit unter den Geschlechtern sorgen und werden so zu Hüterinnen ihres hart erkämpften Reservats degradiert. Nur: Wie rauskommen aus dem Dilemma?

Eine Weiblichkeitsfunktionärin war ich. Und weil das ein Scheißjob ist, habe ich damit aufgehört. Ob wir nun Frauenredakteurinnen, Gleichstellungsbeaufragte oder Frauenbeaufragte heißen: Wir sind diejenigen, die mit unseren Forderungen nach mehr Frauenpräsenz überall und allen auf die Nerven gehen. Wir brauchen den Mund überhaupt nicht mehr aufzumachen, weil alle schon wissen, was wir zu beklagen haben: Seht her, hier kommen die professionellen Opfer des Patriarchats.

Wir sind nicht nur einfach Frauen, wir sind Fraufrauen. Haben sowieso nichts Neues zu sagen und leisten jeden Tag bedeutungslose Arbeit. Anderseits: Wenn wir derart nichtige Existenzen sind, warum löst dann unser Erscheinen solch massive Emotionen aus? Auch und gerade bei unseren Kolleginnen?

Mythos verbietende Frau

Wir sind die Spaßverderberinnen vom Dienst: Wir halten Pornographie für Schweinkram, Erotik für sexuelle Belästigung, Sex für Nahkampf mit dem Feind. Frauenbewegte sind die Oberzensiererinnen vom Dienst, würden am liebsten überall schwarze Balken malen. Überhaupt ist der Feminismus eine einzige Verbotswissenschaft. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, daß auch taz-Frauen uns Feministinnen für frustrierte Weiber halten, die nur mal ordentlich durchgevögelt werden müssen.

Woher rührt dieser unausrottbare Mythos von den verbietenden Frauen? Psychoanalytisch betrachtet drängt sich eine Antwort auf: von den strafenden Müttern. Mutti hat schon Doktorspiele verboten, Mutti will sich immer noch einmischen, auch wenn die Kinder längst erwachsen sind. Weg mit Mutti, weg mit all diesem moral-klebrigen Emanzenkram!

Wie alle antiautoritären Impulse, so wäre auch dieser eigentlich sehr sympathisch, wenn er sich nicht gegen ein Wahnbild richten würde. Das ist die Volte der Revolte: Mit ihren Vätern und Väterinstanzen – dem Staat, den Institutionen – haben sich die brav gewordenen Ex-68er und ihre Kinder längst ausgesöhnt. Gegen die Mütter aber lässt sich’s prächtig weiter schimpfen. Rebellion im Westentaschenformat.

Sieben Generationen Frauenredakteurinnen

Die ganze Wahrheit ist das zugegebenermaßen noch nicht. In Universitäten, Redaktionsbüros und der Politik, überall tönt die gleiche Klage: Männer haben ein leichtes Spiel mit uns. Sie setzen sich nur deshalb in breiter Front durch, weil wir Frauen uns ständig in Lagerkämpfen verschleißen und uns in den Haaren liegen, statt gemeinsam zu streiten.

Denn seit Beginn der Frauenbewegung gibt es auch den erbitterten Kampf zwischen Frauen und Fraufrauen: Erstere finden „Frauenseiten“, „Frauenthemen“, „Frauenbeaufragte“ und „Frauenquoten“ konsequent überflüssig, öde, bieder und entsetzlich. „Berichterstattung aus Frauensicht“ ist für sie bedeutend mit Sozialkitsch, „Quotenfrau“ ist für sie eine böse Beleidigung. Sieben Generationen von Frauenredakteurinnen in der taz, mich mit eingerechnet, sind daran schon verzweifelt.

Woher rührt so viel Abwehr? Ich behaupte: Aus einem Impuls, der wahrscheinlich fast allen Frauen eigen ist, der die einen verrückterweise in die Frauenkampfgruppen treibt und die anderen in die antifeministischen Bataillone: Die Frauen wollen nicht auf ihr Geschlecht reduziert werden.

So wie die einen die Zähne fletschen, wenn Frauen in „sexistischer Werbung“ mit ihrem Körper gleichgesetzt werden, so bekommen die anderen Zustände, wenn an ihnen „nur das Geschlecht“ und „nicht die Leistung“ wahrgenommen wird.

In der Nische

Zwar sind die Zeiten und die Erziehungsstile milder geworden, aber die irgendwann das eigene Leben grell beleuchtende Erkenntnis, nur ein Mädchen zu sein, dürfe immer noch keinem weiblichen Wesen erspart bleiben. Aus diesem subjektiven Gefühl der Erniedrigung und Entwertung gewinnen die einen die Überzeugung, dass nur eine kollektive Anstrengung das weibliche Geschlecht aufwerten könne.

Die anderen, die wohl auch nicht alle mit diabolischem Grinsen auf die Welt gekommen sein dürften, sondern vielleicht nur kollektivmüde oder geschichtsskeptisch sind, ziehen den individuellen Ausweg vor: Mit Händen und Füßen wehren sie sich dagegen, in einer Nische Platz nehmen zu müssen, die mit dem Schild „Nur für Frauen“ reserviert worden ist.

Dass ihr Geschlecht Schicksal sei, das wollen sie sich nicht bieten lassen. In ihrer Wut werden sie zur Not deswegen auch noch Regierungschefin. Oder auch Chefredakteurin.