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Aus BogotáTypisch Deutsch Katharina WojczenkoHippe Läden mit Umlauten

Eigentlich trainiere ich in einem sehr charmanten und gleichberechtigten Fitnessstudio. Doch bildet das die Musikwahl der Trainer nicht ganz ab: Deutschlands größter musikalischer Exportschlager hier in Kolumbien ist Rammstein. Und wird gern als Einpeitscher in der Muckibude genutzt. Der Skandal um die sexuellen Übergriffe hat es nicht bis über den Ozean geschafft.

Deutschland in Kolumbien – was ist das? Rollendes Rammstein-R aus der Gurgel. Ein für mich oft unbedarfter Umgang mit deutscher Geschichte. Die bekannteste Persönlichkeit ist wohl immer noch mit Abstand Diktator Adolf Hitler – und in Deutschland Drogenboss Pablo Escobar. Beides berechtigt, beides ein erschreckend aktueller, aber auch unvollständiger Ausschnitt der Realität.

Dass Hitler sich in Tunja versteckt habe, einer Kleinstadt in der Kartoffelgegend Boyacá, ist eine regelmäßig wieder hervorgekramte Ente. Auch wenn Südamerika bekanntermaßen des Öfteren für Opfer der Nazis sowie für Nazis eine sichere Heimat wurde.

Der linke Präsident Gustavo Petro liebt Nazis- und Hitler-Vergleiche. Als Synonym für alles, was er für falsch und böse in dieser Welt hält. Historisch sind die Vergleiche in der Regel fragwürdig bis falsch. „Mein Kampf“ ist in Kolumbien ein Klassiker auf dem Grabbeltisch der Raubkopien. Vor ein paar Jahren hatte das Buch auf der Buchmesse in Cali sogar einen eigenen Stand. Mit lebensgroßem Papp-Hitler und Hakenkreuz, versteht sich.

Und sonst? Einer der Gründer der ersten und größten Fluglinie Avianca ist Deutscher. Einst der Stolz der Nation, hat sie längst ihren Sitz im Steuerparadies Panama – und in Kolumbien einen ähnlichen Ruf wie in Deutschland die Deutsche Bahn. Ansonsten hat Kolumbien in Sachen Deutschlandbild einiges mit dem Rest der Welt gemein: Fußball, Oktoberfest (ist Deutschland nicht überall vor allem Bayern?), Autos. Auch wenn hier immer mehr asiatische Modelle auf den Straßen zu sehen sind, hat man es wohl immer noch erst geschafft, wenn ein fettes deutsches Modell in der Garage steht. Volkswagen nennt sich in Colombia auch Colwagen. Insgesamt haben deutsche Waren haben immer noch einen guten Ruf – wenngleich sie für die meisten unerschwinglich sind. Dafür erblicke ich immer mehr neue Apartmenthäuser und Geschäfte mit offenbar hippen deutschen Namen (gern mit Umlaut): Büro, Wurst, Brot, Küche, Kunst. Ob sie in den hippen Läden wohl auch Rammstein hören?

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