Augsburger Staatsanwalt Nemetz: Der Mann, vor dem Schreiber zittert
Dem Einsatz des Augsburger Ermittler-Chefs Nemetz ist es zu verdanken, dass sich der Ex-Waffenlobbyist Schreiber vor Gericht verantworten muss. Doch Nemetz Bilanz ist nicht makellos.
Es gibt angenehmere Vorstellungen als die, es mit dem Augsburger Staatsanwalt Reinhard Nemetz als Angeklagter wegen Beförderungserschleichung oder Fahrens ohne Führerschein zu tun zu bekommen. Doch der als "harter Hund" geltende Jurist mit dem grimmigen Blick (der von einem Unfall in der Kindheit herrührt, bei dem er ein Auge verlor) vertritt keine Fälle mehr im Sitzungssaal. Seit 1999 ist er als Leitender Oberstaatsanwalt Chef der Augsburger Ermittler, die jetzt, nach zehn Jahren, den der Steuerhinterziehung, des Betrugs und der Bestechung verdächtigen Karlheinz Schreiber in ihren Gewahrsam bringen konnten. Auch Schreiber zittert vor Nemetz, dessen unermüdlichem Einsatz es zu verdanken ist, dass sich der Waffenlobbyist demnächst vor dem Augsburger Landgericht verantworten muss.
Es hätte dem Justizministerium in München und der CSU sicher nicht missfallen, wenn Nemetz, dessen Spezialgebiet nicht die Wirtschaftskriminalität, sondern die Spezies Gewaltverbrechen war, weniger Druck ausgeübt hätte, den unkalkulierbaren 75-Jährigen mit seiner auf Franz Josef Strauß gründenden CSU- und CDU-Connection in Augsburg vor Gericht zu bringen.
So makellos, wie es scheinen mag, ist Nemetz Bilanz in den Schreiber-Ermittlungen nicht. Er fiel als "harter Hund" auch im Apparat der Ermittler auf, vor allem konnte er überhaupt nicht mit dem für den Fall zuständigen Staatsanwalt Winfried Maier, dem die wesentlichen Ergebnisse im Verfahren zu verdanken sind. Wie ein Untersuchungsausschuss im Landtag ergab, drangsalierte Nemetz den Untergebenen nach Kräften, verwarf einen Ermittlungsschritt nach dem anderen, wollte ihn sogar veranlassen, das Schreiber-Verfahren zu zerschlagen. Er machte Maier zudem klar, dass er als Staatsanwalt unter ihm keine Chance mehr auf Beförderung habe. Der glänzende Ermittler musste in einen Richterjob wechseln.
Die erste Begegnung von Nemetz und Schreiber verlief äußerst kühl. Handschlag oder andere Artigkeiten gab es nicht: "Ich habe noch nie einem Beschuldigten oder Angeklagten die Hand gegeben. Hier findet kein Smalltalk statt", stellte der Staatsanwalt klar. Kräfte für das anstehende Verfahren holt sich Nemetz jetzt erst einmal auf einem Urlaub in Südamerika.
MICHAEL STILLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis