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Augen zu und durch

■ Der Memminger Abtreibungsprozeß wird unbeirrt weitergeführt / Urteil Anfang Mai

Im Memminger Abtreibungsprozeß gegen den Frauenarzt Horst Theissen blieb nach der Ablehnung von Richter Detlef Ott wegen Befangenheit die große Überraschung am ersten Sitzungstag nach der Osterpause aus. Ott mußte vor zwei Wochen seinen Richterstuhl räumen, weil er 1980 aktiv an einem Schwangerschaftsabbruch seiner damaligen Freundin mitgewirkt hatte und im Prozeß gegen Frauenarzt Horst Theissen durch seine inquisitorischen Fragen an die Zeuginnen aufgefallen war. Dem Antrag der Verteidiger des Arztes, nun das Verfahren ganz einzustellen, zumindest aber auszusetzen, weil Richter Ott den Prozeß wesentlich bestimmt habe, wollte das Gericht nicht folgen. Obgleich der Vorsitzende Richter Albert Barner einräumte, die Hauptverhandlung müsse „auf neue Beine gestellt werden“. Nach diesem Eingeständnis des Vorsitzenden entschied das Gericht - nun mit der neuen Richterin Brigitte Grenzstein erneut über Anträge der Verteidiger, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung sind. Schon nach wenigen Minuten wurden diese erstmals im September 1988 gestellten Anträge wieder zurückgewiesen. In den Augen des Gerichts ist es also nach wie vor vertretbar, daß die beschlagnahmten Karteikarten der Patientinnen im Hauptverfahren verwertet werden, gleiches gilt für die früheren Vernehmungen von Zeuginnen.

Durch die Mitwirkung des ausgeschlossenen Richters Ott an den Entscheidungen des Landgerichts vor und in der Hauptverhandlung leide das Verfahren unter so schwerwiegenden Mängeln, daß seine Einstellung geboten sei, hatte Rechtsanwalt Jürgen Fischer argumentiert. Unverkennbar habe Richter Ott dem Verfahren seinen Stempel aufgedrückt. In zweierlei Hinsicht müsse dieser Vorwurf gelten, sagte Fischer. Erstens im Hinblick auf die Fragestellung in der Beweisaufnahme, also die bohrenden Fragen an die ehemaligen Patientinnen von Dr. Theissen und zweitens im Hinblick auf seine Mitwirkung an den Beratungen und Beschlüssen der Gerichte.

Der Vorsitzende Richter Albert Barner gab zwar zu, daß sich das Gericht über die Osterfeiertage überlegt habe, ob das Verfahren fortgesetzt werden könne, man sei aber zu dem Schluß gekommen, es genüge, über die wesentlichen Anträge neu zu entscheiden.

Unbeeindruckt zeigte sich das Gericht vom Vorwurf Fischers, erst die Zurückweisung wichtiger Anträge habe Richter Ott die Möglichkeit verschafft, ein eigenes Problem „auf dem Rücken anderer zu verarbeiten“. Die Richter wollten Fischer auch nicht darin folgen, daß das Verfahren inzwischen in einem Ausmaß beschädigt worden sei, daß von Objektivität keine Rede mehr sein könne.

Mit der nichtöffentlichen Zeuginnenvernehmung ging der 53. Verhandlungstag am späten Dienstag vormittag dann weiter. Nach dem bislang noch gültigen Zeitplan des Gerichts soll das Urteil am 5.oder 12.Mai verkündet werden.

Klaus Wittmann

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