Aufstiegs-Krampf: St. Pauli lässt Punkte liegen
In einem intensiven Fußballspiel gelingt dem FC St. Pauli gegen den tapfer kämpfenden Abstiegskandidaten FSV Frankfurt kein Tor. Der Vorsprung auf die Nicht-Aufstiegsplätze schmilzt.
HAMBURG taz | Der FC St. Pauli hat ein Luxusproblem. Die Mannschaft spielt in dieser Saison so konstant erfolgreichen und meist auch noch schönen Fußball; scheint derart unerschütterlich auf Aufstiegskurs, dass sich Selbstzufriedenheit breit macht. Nicht bei der Mannschaft, da ist Trainer Holger Stanislawski vor, der von den Spielern bis zum Platzwart bereitwillig jeden anraunzt, der aus seiner Sicht nicht 150-prozentig mitzieht. Und der den Druck aufrecht erhält, indem er konsequent die elf aktuell Besten aufbietet. Niemand kann sich seines Stammplatzes sicher sein.
Nein, St. Paulis Problem sitzt woanders – beziehungsweise es steht mehrheitlich. Ausgerechnet die legendären Fußball-Aktivisten vom Hamburger Kiez sehen sich schon so sicher in der ersten Bundesliga, dass sie sich manchmal einfach zurücklehnen und die Spieler ihren Job machen lassen. Das macht manchen alt gedienten Fan richtig wütend. „Wer heute nicht singt, braucht am 27.2. gar nicht zu kommen“ war beim Freitagabendspiel gegen den FSV Frankfurt in großen Lettern auf einem Transparent zu lesen – im Innern der Tribüne, gleichsam für den internen Gebrauch.
Das nächste Heimspiel gegen den Aufstiegskonkurrenten Arminia Bielefeld findet zwar erst am 28. Februar statt, aber die Botschaft war offenbar trotzdem angekommen. Die Anhängerschaft zeigte sich deutlich erfrischt gegenüber den vorigen Heimspielen. Und die Mannschaft schien dadurch zunächst beflügelt.
Vor allem über die Außen setzte St. Pauli die Frankfurter vom Anpfiff an unter Druck und störte deren Entlastungsangriffe noch in der Frankfurter Hälfte. Nach 20 Minuten hatten sich die Gäste deutlich besser auf St. Pauli eingestellt, die Bemühungen der Hamburger hatten nun Geduldsspielcharakter. Und auch die Frankfurter kamen mehrfach gefährlich vor das Tor von Matthias Hain, wurden jedoch meist wegen Abseitsstellung zurückgepfiffen, wie beim vermeintlichen Tor durch den Finnen Pekka Lagerblom.
Nach dem Seitenwechsel ein viel offeneres Spiel: Ebbers verpasste mehrfach frei vor Torwart Patric Klandt, auf der Gegenseite segelte Cidimar zweimal haarscharf im Fünfmeterraum am Ball vorbei. St. Pauli-Trainer Holger Stanislawski versuchte, durch die Einwechslung von Spielmacher Charles Takyi und Richard Sukuta-Pasu für den unglücklich spielenden Deniz Naki und den blassen Rouwen Hennings einen Impuls zu setzen, nach einer weiteren Viertelstunde musste die hängende Spitze Max Kruse dem baumlangen Strafraumstürmer Morike Sako Platz machen. Sukuta-Pasu hatte nach 75 Minuten die Chance zur Führung, aber Klandt konnte seinen Schuss gerade noch wegfausten. Wenige Minuten später setzte Vlad Munteanu eine Ecke an die Latte des St. Pauli-Tores.
Das Publikum spürte nun, dass die Mannschaft Unterstützung brauchte und feuerte die Braun-Weißen von drei Seiten an – auf der vierten klafft die Baulücke, in der die neue Haupttribüne entstehen soll. Getragen von der Stimmung auf den Rängen entfaltete St. Pauli nun mit einer Energieleistung bei schneidender Kälte gewaltigen Druck, erspielte sich zahlreiche Eckbälle und Freistöße - aber die wenigen guten Torschüsse entschärfte der gute Frankfurter Torwart Patric Klandt.
St. Paulis Vorsprung auf den Relegationsrang drei ist damit auf sechs Punkte geschmolzen, da Arminia Bielefeld gleichzeitig mit 1:0 in Ahlen gewann. St. Pauli hat aber schon in zwei Wochen, nach dem Auswärtsspiel bei Tabellenführer Kaiserslautern, die Gelegenheit, die Bielefelder wieder zu distanzieren. Und dann dürfen die meisten Fans, dank mehr als ordentlicher Stimmleistung bis weit nach dem Abpfiff, wiederkommen.
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