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Aufregung um französische DelikatesseVerstopfte Stimmung am Rhein

Stopfleberhersteller dürfen sich bei der Ernährungsmesse Anuga nicht mehr präsentieren. Das ärgert französische Hersteller und Politiker - und beschert Frau Aigner viele Briefe.

Sind jetzt Thema des deutsch-französischen Dialogs: Gänse. Bild: reuters

Eine Entscheidung der Ernährungsmesse Anuga sorgt in Frankreich für Aufregung. "Als ob wir in Frankreich die deutschen Würste verbieten würden!", empörte sich Senator Alain Fauconnier.

Die Stopfleberhersteller werden nämlich in diesem Jahr von der Kölner Anuga ausgeschlossen. Das hat auch Frankreichs Agrarminister Bruno Lemaire ein wenig verstimmt. Am Montag hat er an seine deutsche Kollegin, Bundeslandschaftsministerin Ilse Aigner, einen Brief geschickt, um gegen das Ausstellungsverbot zu protestieren.

Wenn die Fachmesse an ihrer Entscheidung festhalte, würde Le Maire an deren Eröffnung im Oktober nicht teilnehmen. "Es ist für den französischen Stopflebersektor wichtig, bei der vielbesuchten Messe vertreten zu sein, besonders einige Monate vor Weihnachten und Silvester", begründete der Minister. Wie der Räucherlachs und der Champagner gehört das "foie gras" zu den traditionellen Feiertags-Delikatessen in Frankreich.

Aufregung um das Verbot gibt es vor allem in Südfrankreich schon seit einigen Tagen. Nach empörten Reaktionen von Stopfleberherstellern äußerte sich der Präsident der Region Midi-Pyrénées, Martin Malvy: Das Verbot sei pure "Heuchelei". Denn auch wenn in Deutschland das Stopfen von Geflügel nach dem Tierschutzgesetz verboten ist, seien Import und Verarbeitung von so aufbereiteten Produkten erlaubt.

Auch Senator Fauconnier – ebenfalls aus dem Südwesten – schrieb einen Brief. Er wandte sich an die französische Botschaft in Berlin, in der Hoffnung, sie könne bei den Messeveranstaltern ein gutes Wort für das "diskriminierte" Produkt einlegen. Deutschland ist schließlich ein großer Absatzmarkt, und die Allgemeine Nahrungs- und Genussmittel-Ausstellung nennt sich selbst "die weltweit führende Ernährungsmesse".

Stoppt-Stopfen

"Foie gras" wurde 2005 jenseits des Rheins offiziell zum nationalen Kulturerbe erklärt. Dort hat die fette Spezialität allerdings nicht nur Anhänger. Verbände wie zum Beispiel "Stop-gavage" (Stoppt-Stopfen) setzen sich gegen die "kulturelle Ausnahme" ein, die als Rechtfertigung der Misshandlung von Tieren im Falle von Stopfleber oft genannt wird.

So hat Ministerin Aigner auch einen Brief von Ex-Filmstar Brigitte Bardot in ihrem Briefkasten gefunden. Darin wies die bekannteste Tierschützerin Frankreichs am Mittwoch darauf hin, dass manche französische Stopfmäster die EU-Regelungen nicht respektieren, die die Lebensbedingungen der Enten und Gänse schützen sollen. Aigner solle deswegen vor der "Erpressung" des Nachbarlands nicht zurückweichen.

Ob die Bedrohungen des französischen Ministers nun wirklich zu fürchten sind, ist fraglich. Fest steht dagegen, dass Deutschland und Frankreich sich über Sachen des Alltagslebens nicht immer einig sind. Eine Lösung für die Aufregung um die Anuga: Die Gelegenheit des französischen Nationalfeiertags heute einfach mal nutzen, um frei von der (Stopf)Leber weg miteinander zu sprechen.

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8 Kommentare

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  • E
    emil

    kann den zusammenhang grundsätzlich nicht verstehen. wenn ein tier so leiden muss, nur damit ich einen genuss erlebe, ist es dann überhaupt noch genuss?

     

    wenn ich eine bank überfalle und dabei ein paar menschen töte, habe ich danach vielleicht auch eine menge geld. aber was ist das denn noch wert, wenn blut daran klebt?

     

    gesichtslose industrieproduktion ermöglicht es, mit tieren wie mit ressourcen umzugehen. also mir schmeckt die wurst nicht so besonders, wenn ein haufen tiere in eine wurstpresse kommt?! vielleicht mal ein bisschen draufzahlen, dafür aber wissen, dass die tiere nicht auf dem fließband geboren werden, was sie auch in den tod fährt?

    die lebensmittel in deutschland sind so billig, aber offenbar ist das auto oder anderer unfug mehr geld wert.

    dabei ist es meines erachtens verwerflich, augenscheinlich tierquälende sektoren durch den kauf zu unterstützen.

  • M
    Mananui

    Was die ganze Angelegenheit meines Erachtens noch schlimmer macht, ist dass die Foie Gras von den Franzosen schon laengst nicht mehr als Delikatesse behandelt wird sondern dem Konsumenten in jedem Ramschladen zu Dumpingpreisen nachgeschmissen wird.

     

    Entsprechend gibt es in Franzoesischen Gefilden zwischen Anfang Dezember und Ende Januar,quer durch die gesamte Bevoelkerung, regelrechte Foie Gras Gelage, bei denen am Ende die Haelfte weggeschmissen wird weil es dann keiner mehr sehen kann.

     

    Das ist der Gipfel dieser ethisch-moralischen Tierquaeler-Geschmacklosigkeit

  • LD
    Lucien de la Paix

    Wer da aufschreit, sind nicht etwa die Millionen gequälte Tiere, denn sie haben die Schnauze voll.

    Es sind die Profiteure der jahrhundertealten französischen Tierfoltertradition, die endlich (!) um ihre Profite fürchten müssen.

    Der ideologische Zusammenstoss erfolgt allerdings nicht im Ursprungsland Frankreich, wo man sich in öffentlichen Fotoausstellungen dieser Form der Barbarei wie selbstverständlich rühmt, sondern in Deutschland, weil hier endlich einer laut und deutlich NEIN sagt und meint. Wir beobachten das mörderische Qualstopfen mit heissem Maisbrei auch schon seit langem mit totaler Abscheu und sagen: NEIN.

    Der französische agrarindustrielle Komplex mit seinen weitreichenden Verbindungen in Politik und Medien hat in totalitärer, ja altgaullistischer Weise bisher jede öffentliche Diskussion über humanitäre Mindeststandards in der Tierzucht unterdrückt - jetzt wird sie über den Rhein hinweg geführt und das ist dringend notwendig.

    Wobei die Misshandlung von Tieren in Frankreich keineswegs darüber hinwegtäuschen kann, dass auch hierzulande übelste Zustände in der Tierhaltung herrschen. Das aber ist eine andere Diskussion - die aber bereits mit zunehmender Breitenbeteiligung geführt wird und auch schon regionale Landwirtschaftsministerinnen den Kopf gekostet hat - Beispiel Frau Grotelüschen (nds. CDU).

    Frau Aigner als Marionette der Tierindustrie wird sich rhetorisch halt a bisserl winden und natürlich nichts Konkretes tun, dafür ist sie ja auch da. Immerhin hat sie noch gar nichts getan, das ist ja auch schon was.

     

    Die französische Nationalversammlung in ihrer überwältigenden Weisheit und Güte hat 2005 die Gänsestopfleberproduktion zum nationalen Weltkulturerbe ernannt. So giesst die Lobby ihren Einfluss in Normen und betreibt kulturelle Vorfeldverteidigung. Von kritischen Stimmen war noch nichts zu vernehmen. Es wäre interessant, zu erfahren, welche französischen Tierschutzinitiativen es zur Stopfleberfabrikation gibt und ihre Argumente zu hören.

  • TS
    Tiere sind zum Essen da

    Die Foie gras schmeckt aber halt soo gut...

  • E
    eva

    Die Produktion von Stopfleber ist so grausam, dass sie in Deutschland aus Tierschutzgründen verboten ist. Und das will viel heißen.

    Es ist inkonsequent, dass diese zweifelhafte Delikatesse hierzulande noch verkauft und gegessen werden darf. Wenn etwas mit soviel Tierqual produziet wird, dass man dies im eigenen Land nicht zuläßt, müsste man auch verbieten, dass andere Länder diese Qualprodukte nach Deutschland verkaufen und daran noch verdienen. Verkauf, Konsum und Werbung für diese bestialische Tierqual gehört ebenso verboten.

    Das Verbot, auf der ANUGA damit zu werben, ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

  • M
    Max

    Der gute Ismael aus Moby Dick wusste bereits:

     

    "Cannibals? who is not a cannibal? I tell you it will be more tolerable for the Fejee that salted down a lean missionary in his cellar against a coming famine; it will be more tolerable for that provident Fejee, I say, in the day of judgment, than for thee, civilized and enlightened gourmand, who nailest geese to the ground and feastest on their bloated livers in thy pate-de-foie-gras."

  • D
    dielendieb

    Konsequenterweise müsste man jetzt auch "Import und Verarbeitung von so aufbereiteten Produkten" verbieten. Und zwar nicht, weil sie aus Frankreich kommen, sondern wegen der Art ihrer Herstellung. Die Kritiker haben da ein paar Kausalitäten durcheinander gebracht. Dass wir in Deutschland auch keine Helden der artgerechten Tier- und Pflanzenhaltung sind, darf an dieser Stelle natürlich unter keinen Umständen ungesagt bleiben.

  • V
    viecher

    Eigentlich ein Schritt nach vorn.

    Konsequenterweise müssten jetzt auch in Deutschland Massentierhaltungen verboten werden.

    Dass überzüchtetes Geflügel, welches wegen zu hohem Eigengewicht nicht mehr stehen oder laufen kann, fällt bei meinem persönlichen Verständnis von Moral ebenso unter Quälerei.