Aufklärung von Missbrauchsfällen: Ministerin und Zollitsch versöhnt
Nach einem klärenden Gespräch wollen Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger und Erzbischof Zollitsch nun Missbrauchsfälle gemeinsam aufklären.
Es war ein seltener Anblick: Mit rotem Kopf verkündete der sonst so sanfte Robert Zollitsch, Erzbischof von Freiburg und Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, im Priesterseminar seiner Diözese ein Ultimatum. Innerhalb von 24 Stunden habe die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ihre Aussagen zurückzunehmen. Außerdem habe er sich bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beschwert. Das war am 23. Februar.
Am Vorabend hatte Leutheusser-Schnarrenberger der katholischen Kirche vorgeworfen, sie leiste keine konstruktive Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden bei Missbrauchsfällen in ihren eigenen Reihen, ja, sie habe kein aktives Interesse an rückhaltloser Aufklärung. Außerdem sprach die Ministerin von "über 120 Missbrauchsfällen" durch Mitarbeiter der Kirche "allein in den letzten wenigen Wochen" - was falsch war, denn solche Fälle traten damals nicht auf. Sie wurden lediglich in diesen Wochen aufgedeckt und lagen meist Jahre zurück.
Um den Streit auszuräumen, trafen sich am gestrigen Donnerstag Leutheusser-Schnarrenberger und Zollitsch im Berliner Justizministerium. Danach erklärten sie gemeinsam, ihren Disput beigelegt zu haben. Man sei sich einig, dass die "umfassende" Aufklärung vergangener Fälle sexuellen Missbrauchs in kirchlichen Einrichtungen "entschlossen" vorangetrieben werden müsse. Den Betroffenen sei großes Leid zugefügt worden, hieß es. "Sie haben ein Recht auf eine ehrliche Aufklärung."
Damit endete ein Streit, den manche als auch verfassungspolitisch außergewöhnlich betrachteten. Zuvor hatte es einen Brief der Justizministerin an Zollitsch gegeben, der als eine teilweise Entschuldigung bewertet wurde. Aber ein Konflikt blieb: Die Ministerin hatte einen runden Tisch zu den Missbrauchsfällen in der Kirche vorgeschlagen. Die katholischen Bischöfe erklärten aber, dass sie dort nur mitarbeiten würden, wenn auch andere Institutionen daran teilnehmen würden.
Erst nach einigem Hin und Her und eigenen Vorschlägen für runde Tische durch die Bundesministerinnen für Familie und Bildung, Kristina Schröder und Annette Schavan (beide CDU), einigte sich die Bundesregierung auf die Einsetzung nur eines runden Tisches, zu dem auch die Kirchen Vertreter entsenden wollen. Er heißt nun, ziemlich umständlich: runder Tisch "Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich". Am Freitag kommender Woche soll er erstmals tagen.
Beim Treffen gestern einigten sich Leutheusser-Schnarrenberger und Zollitsch darauf, dass die Kirche mit dem Justizministerium die Missbrauchfälle an katholischen Institutionen aufarbeitet. Die entsprechende Arbeitsgruppe beschäftigt sich unter anderem mit dem Umgang mit bereits verjährten Fällen.
Zeitgleich zog ein Protestzug ehemaliger Heimkinder gegen den Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen durch die Mitte der Hauptstadt. An der Spitze der Demonstration trugen die Teilnehmer die Figur einer Nonne mit einem Prügelstab. Das Motto der Demo: "Jetzt reden wir." Auch zum Thema Heimerziehung gibt es einen runden Tisch. Er tagt seit ungefähr einem Jahr.
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