: Auf verlorenem Posten
ORTSTERMIN Eine SPD-Kandidatin macht in Berlin Hausbesuche
Berlin-Steglitz, Bismarckstraße. Im Hausflur der Nummer 70 empfängt die Klinkenputzer ein Mann in Hemd, Krawatte, Hosenträgern und Manschettenknöpfen. Ein SPD-Genosse. Ein kurzes Gespräch über den aktuellen Wahlkampf und das Jahr 98 „als wir den Wahlkreis geholt haben“. Er wünscht viel Glück.
Seit drei Wochen ist der Wahlkampftrupp unterwegs. Zwei bis dreimal die Woche. Das heutige Tür-zu-Tür-Team besteht aus SPD-Direktkandidatin Ute Finckh-Krämer mit ihrem Wahlkampfleiter Kromm und zwei freiwilligen Genossen. Im Bezirk Steglitz-Zehlendorf regiert die CDU seit 2005. Deswegen zieht die Sozialdemokratin mit ihren Helfern um die Häuser.
Die Kandidatin klingelt an der Tür, stellt sich vor, händigt ihre Wahlbroschüre aus und stellt drei Fragen. Bei der ersten Frage, ob man einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn zustimme, antworten viele mit Ja. Auf die Frage, was die SPD direkt umsetzen sollte, wenn sie an die Regierung käme, werden die Antworten mauer. Es fallen Schlagworte: 100-Tage-Programm, Gesundheitswesen, Umverteilung der Gelder.
Die nächste Tür geht nicht auf. Eine Frau ruft: „Danke, ich wähle CDU“. Solche Situationen wollen die Wahlkämpfer vermeiden und gehen bewusst in Gegenden, in denen die SPD eine Mehrheit hat. Aber geht es nicht gerade darum, Menschen zur SPD zu bringen? Finckh-Krämer will „politische Gegner nicht mobilisieren.“ Bei der letzten Wahl haben die Sozialdemokraten eine Million Stimmen ihrer eigenen Wähler verloren, diese gelte es zurückzugewinnen – mit einer „niederschwelligen“ Strategie. In Anlehnung an die „Willy-Wahlkämpfe“ der 70er Jahre, als die SPD von Haus zu Haus ging und die US-Wahlkämpfe, klopft die SPD an Millionen deutscher Türen an.
„Darf ich mich vorstellen?“, fragt die Kandidatin die Bewohnerin im nächsten Stockwerk. „Nee.“, Finckh-Krämer lässt nicht locker, „ich bin die SPD-Direktkandidatin.“ „Trotzdem nee.“
Ein paar Türen weiter: Sichtlich erfreut über den Besuch, begrüßt ein begeisterter SPD-Wähler Finckh-Krämer: „meine Stimme und die meiner Familie haben Sie schon.“ Er bedankt sich mehrmals. „Das sind solche superschönen Momente“, sagt Wahlkampfleiter Kromm.
„Jetzt beginnt die Negativphase,“ sagt Finckh-Krämer – im nächsten Haus macht nach dem ersten Bewohner, der sie reingelassen hat, aber leider nicht wahlberechtigt ist, keiner mehr auf. „Dafür kämpfen wir“, sagt Finckh-Krämer dem Mann und zieht weiter. KIM WINKLER