Auf du und du mit dem Arbeitsschutz: Gefährlich krachen die Speere
■ Niedrigere Unfallzahlen im Theater
Bei Johann Kresniks „Fidelio“wird das ganze Publikum zum Arbeitsschutzexperten. Wenn in der Beethoveninszenierung bestimmt hundert hünengroße Speere vom Schnürboden auf die Bretterbühne des Theaters am Goetheplatz krachen und zitternd im Holz steckenbleiben, gibts Gesprächsstoff für den Pausensekt: „Das ist doch gefährlich!“oder „Da kann ja jemand umkommen?!“So oder ähnlich hat es Karl-Heinz Krämer, der technische Direktor des Vier-Sparten-Hauses, schon oft aufgeschnappt. Trotzdem winkt er gelassen ab: „Alles gesichert, doppelt und dreifach.“An den Speeren liegt es nämlich nicht, daß das Theater einen Erfolg zu vermelden hat. Um sage und schreibe 60 Prozent sind die Unfälle auf und hinter den Stadttheaterbühnen in den letzten vier Jahren zurückgegangen.
Sind 1994 noch 24 KünstlerInnen und BühnenarbeiterInnen am Goetheplatz eher schwer als leicht verunglückt, ereigneten sich 1997 „nur“noch zehn meldepflichtige Unfälle. In anderen Theatern liegen die Zahlen nach Krämers Angaben mindestens doppelt so hoch. Meldepflicht heißt: Krankschreibung für drei Tage und länger. Das Unfallspektrum reicht vom gestoßenen Kopf an irgendeinem Bühnenteil bis zum Bänderriß einer Tänzerin. Nicht immer sind sie so spektakulär wie damals bei den Proben zu „Hoffmanns Erzählungen“: Ron Peo und drei weitere SängerInnen stürzten durch eine nicht gesicherte Bühnenklappe zweieinhalb Meter in die Tiefe. (Verletzungen)
Dieser Unfall ist heute unmöglich, so Krämer. Denn die Klappen werden nicht mehr so gebaut, daß sie nach unten aufgehen. Doch allein daran liegt es nicht, daß die Unfallzahlen zurückgegangen sind. „Diese Entwicklung ist eine Sensation und eine Top-Leistung“, hat Christoph Wach von der Unfallkasse Bremen (vor dem 1. Januar: „Gemeindeunfallversicherungsverband“) gleich zwei Superlative bereit. Ansonsten eher beargewöhnt, hat ein diesmal gern gesehener Unternehmensberater das Theater unter die Lupe genommen und die insgesamt 420 Beschäftigten gelehrt, wenigstens über Unfallschutz zu reden. Alles eine Sache von Kommunikation und Psychologie: Denn auf Anregung des Unternehmensberaters wird jetzt selbst in stressigen Zeiten auf Arbeitssicherheit geachtet.
Und die doppelte und dreifache Sicherung bei den Speeren in der „Fidelio“-Inszenierung? „Da wird ein bißchen gezaubert“, sagt Krämer. Menschen und Requisiten sind voneinander getrennt. Bevor sie auf die Bretter krachen, spielt sich die Inszenierung nur auf der Vorderbühne ab. Und für den Fall, daß ein Speer nicht steckenbleiben, sondern in Richtung Orchestergraben rollen sollte, ist's wie im Zirkus: Die MusikerInnen sind durch ein Gitter über dem Orchestergraben geschützt. Wenn sich jedoch – wie berichtet – PhilharmonikerInnen und Generalmusikdirektor Giftpfeile um die Ohren die schießen, sind auch die Leute vom Arbeitsschutz hilflos. ck
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