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Auf der Suche nach dem neuen heißen Scheiß der StadtBerlins Sound ist immer noch Minimal

Durch die Nacht

vonAndreasHartmann

Berlin ist die Musikhauptstadt Deutschlands, Europas, ach was, der ganzen Welt. Davon geht man irgendwie aus. Zumindest in Berlin. David Bowie war hier, Lady Gaga im Berghain, läuft. Aber so richtig vibriert Berlin popmusikmäßig eigentlich seit Jahren nicht mehr. Neuer heißer Scheiß aus Berlin? Fehlanzeige. Der beste Rapper des Landes, Hafti, residiert in Offenbach und die coolsten Rockbands kommen inzwischen ausgerechnet aus Stuttgart. Die Jungs von Isolation Berlin, der vielleicht einzigen wirklich interessanten neuen Indieband der Stadt, sagen, dass sie keiner der lokalen Szenen angehören wollten, dass es diese aber auch gar nicht gäbe. Alle würden halt in ihren Stadtteilen vor sich hin werkeln an ihrer Musik, echter Austausch untereinander finde jedoch nicht statt. Isolation Berlin eben.

Nicht dass nicht massenweise innovative, auch international erfolgreiche Musik in der Hauptstadt entstehen würde, doch man hat das Gefühl, diese sucht gar keine Anbindung mehr an die Stadt. Kadavar, eine Stonerrockband, die durch die ganze Welt tourt, betonen zwar, wie wichtig ihnen Berlin sei, aber wirklich auf das Stadtgeschehen reflektiert der Erfolg der Band nicht. Ein Stonerrockboom ist in Berlin jedenfalls nicht zu registrieren.

So seltsam unsichtbar

Die tollsten Labels residieren in der Stadt, die aufregendsten Musiker wohnen hier. Aber sie bleiben so seltsam unsichtbar. Tricky ist der Typ, der mal Trip Hop miterfunden hat, den Bristolsound der frühen Neunziger. Kevin Martin war mit vorne dabei, als in London Dubstep zündete. Die beiden wohnen nun auch in Berlin. Aber den Clip für seine aktuelle Single hat Tricky dann doch lieber wieder in Bristol gedreht, und dass Kevin Martin hier lebt, das kann man auch für ein Gerücht halten, so wenig, wie er sich hier einbringt.

Am Beispiel Wien kann man gerade sehen, wie das funktioniert, wenn Szenedynamiken entstehen. Erst ist da eine Band, die mit Wiener Schmäh singt, dann noch eine und schon ist Wien nicht mehr verschlafen und langweilig, sondern lässig und hip. In Berlin lief das ja eigentlich auch mal so. Ende der Neunziger hat das Label Kitty Yo so lange behauptet, die Berliner Musikszene sei spannender als die Londons, bis alle es glaubten, und vor ein paar Jahren bastelte sich das Label Aggro einen typisch Berliner Gangsterrap zusammen, der die ganze Republik erschreckte. Kann dagegen gerade jemand sagen, wie genau sich die Berliner Hip-Hop-Szene definieren ließe?

Berlin wirkt heute satt und träge. Ständig ist überall was los, aber nirgendwo brodelt es mehr und wird Aufbruchstimmung verbreitet. Der Sound der Stadt ist immer noch Minimal und aktuell House, eine Technoszene, ja, die gibt es in der Stadt, aber wirkliche musikalische Neuerungen finden einfach nicht mehr statt. Labels wie Pan und Blackest Ever Black, beide durchaus zuständig für innovative Entwürfe elektronischer Musik, scheinen gar nicht den Anspruch zu haben, den Technokonsens der Stadt in Frage zu stellen. Labelnächte veranstalten sie lieber im Ausland als in Berlin, wo sie nie richtig angekommen zu sein scheinen.

Tim Gane, auch so ein Londoner, der vor vielen Jahren nach Berlin gezogen ist und einst Kopf der bekannten Indieband Stereolab war, sagt, er werde immer gefragt, wie und ob Berlin seine eigene Musik verändert habe. Er antworte dann immer, die Stadt habe ihn eigentlich so gar nicht geprägt. Er wohne einfach nur so gerne im Prenzlauer Berg, weil er hier so schön seine Ruhe haben könne.

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