Auf den zweiten Blick: Kecke Schweine, lustige Drachen
■ „Kunstück“in Oldenburg zeigt Neues von der Bremerin Anja Schindler
Linkische Pinguine, lustige Drachen und kecke Schweine bevölkern die Bildobjekte der Bremer Künstlerin Anja Schindler. Die Malerin arbeitet vorwiegend in der Nähe von Perugia (Italien), weitab also vom hiesigen Kunstmarktgetümmel, in dem mit tierischem Ernst um Bedeutung gerungen wird. Anja Schindler zeigt ihre neueren Arbeiten aus der italienischen Abgeschiedenheit mit der Ausstellung „Tracce“in der Oldenburger Galerie „Kunstück“.
Zunächst wirken diese comichaften Wesen, als Skulptur auf Sockeln oder als Skizze auf Papier gebannt, einfach und sehr erheiternd. Auf den zweiten Blick sucht man hier nach einer tieferen Bedeutungswelt und vermutet als Sinn eine Suche, die archaische Zeichen bloßlegen will und dem Erinnern und Erzählen Raum geben möchte.
Anja Schindler arbeitet mit Readymades. Ihre Tierskulpturen sägt sie aus Büchern und montiert diese schemenhaften Wesen auf Sockeln aus alten Kisten, die sinnträchtig karmesinrot bemalt wurden, also mit der reichsten Farbe des Mittelalters. Die einmal gefundene Form – Drache oder Pinguin – wird so mit der Schrift in immer neue Kontexte gebracht, die Worte auf naiv duldenden Wesen erzählen Geschichten.
Unverständliche zum Teil, auf Arabisch oder Italienisch, doch auch auf Deutsch. Und da, wo die Worte sinnhaft scheinen, entpuppt sich das Ganze als purer Unsinn. Da liest man etwas von der Toxizität des Urin, der Drache aber wirkt dabei heiter gelassen. Die Dinge kehren sich um: Wird in der gängigen Kunstdiskussion viel von der Ablösung des Signifikanten vom Signifikat geschwafelt, so kehrt hier das von den Gegenständen abgelöste Zeichen in den Ursprung des Leibes zurück, und wird so zur sinnleeren Buchstabensammlung, zur Ironie seiner selbst. Dabei sah alles erst so harmlos aus.
Auch in ihren wiederum karmesinroten Gemälden schürft die Künstlerin nach tieferem Sinn. In „Rosso Due“(soll der italienische Titel mehr Sinn verleihen?) schichtet sie Bücherseiten als Malmaterial auf die Leinwand, Knautschungen verleihen dem Gebilde vegetative Strukturen, und das Schwarz der Buchstaben unterstellt der rotlasierten Fläche Tiefen. Darauf ergießt sich im Öl ein tanzendes, knochiges Wesen als Fragment, irgendein Urviech mit Kuhohren. Als kompositorisches Hilfsmittel dient hier eine rote Umrahmung der Bildfläche – offenbar um wettzumachen, was dem Ganzen fehlt: Eben Komposition. Es sieht halt alles sehr harmlos aus. Auch auf den zweiten Blick. Marijke Gerwin
Bis zum 3. April
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