Auf Du und Du mit der Lehre: Lehrlingsmangel in vielen Branchen
■ Nach dem Lehrstellenmangel der vergangenen Jahre kehrt sich das Bild auf dem Arbeitsmarkt jetzt ins Gegenteil
Bremen/Hannover – Nach dem Lehrstellenmangel der vergangenen Jahre droht jetzt in vielen Branchen ein Lehrlingsmangel. Das zeichnet sich nach Beobachtungen des Landesarbeitsamtes und der Kammern zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres ab. Danach hat sich der Lehrstellenmarkt in Niedersachsen im Vergleich zu 1999 deutlich entspannt. In Bremen bleibe die Situation aber weiter problematisch, teilte das Landesarbeitsamt jetzt auf Anfrage mit. Ein Überhang an offenen Ausbildungsplätzen deutet sich vor allem im Handwerk an.
Zum Beginn des Ausbildungs-jahres Anfang August waren in den beiden Bundesländern 12.940 gemeldete Lehrstellen noch unbesetzt. Das seien 15,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl noch nicht vermittelter Bewerber ging im Vergleich zum Vorjahr um 8,2 Prozent auf 18.936 Jugendliche zurück. Sprecherin Ute Nicolaysen betonte aber: „Das ist nur ein erster Zwischenstand. Da ist noch sehr viel Bewegung drin.“
Schon jetzt heißt es aber bei der Handwerkskammer Hannover, in vielen Sparten sei bereits ein Bewerbermangel erkennbar. In der Region sind noch 600 von 4.800 Plätzen frei. „Der Anteil ist ein Drittel höher als vor einem Jahr zu dieser Zeit“, sagte Sprecherin Sabine Wilp. „Diese drastische Entwicklung ist neu.“ In 60 von rund 80 Branchen würden noch Lehrlinge gesucht. Darunter seien beliebte Ausbildungsberufe wie Optiker, Automechaniker und Friseurin. Viele Betriebe suchten händeringend Nachwuchskräfte.
Michael Koch, der Geschäftsführer der Vereinigten Handwerkskammern Niedersachsens, sieht ebenfalls „trotz einer eigentlich positiven Entwicklung keinen Grund zum Jubeln“. Die Betriebe hätten in den vergangenen Jahren ihre Lehrstellen deutlich aufgestockt. „Und nun sind durch den Geburtenrückgang weitaus weniger geeignete Bewerber da.“ Das Handwerk setze deshalb jetzt auf Werbeaktionen.
Auch die niedersächsischen Industrie- und Handelskammern gehen davon aus, dass „die Nachfrage bereits nicht mehr in Relation zum Angebot steht“. Nach Angaben von Volker Linde von der Abteilung Berufsbildung in Lüneburg haben die Betriebe ihr Lehrstellenangebot seit 1996 um ein Drittel erhöht. Nun seien sogar bei den klassischen Favoriten wie Industriekaufmann und in der Informatikbranche noch Plätze frei. Linde: „Selbst die Sparkassen, die früher nie Probleme hatten, muss-ten dieses Jahr lange nach ihren Lehrlingen suchen.“ Linde rechnet aber noch mit einem großen Schub bis zum Herbst.
Arbeitsamtssprecherin Nicolaysen wies darauf hin, dass es beim Bewerberüberhang große regionale Unterschiede gebe. So sei das Verhältnis offener Stellen zu suchenden Jugendlichen etwa in den Bezirken Hannover, Hildesheim und Vechta nahezu ausgeglichen. In Emden kämen dagegen schon zwei Bewerber auf eine Stelle. Im Bezirk Bremen müssten sich rechnerisch drei Bewerber eine Stelle teilen. Gute Chancen hätten Jugendliche vor allem bei Metallberufen wie Elektroinstallateur und in Lebensmittelsparten wie Bäcker und Metzger. Den größten Andrang gebe es bei kaufmännischen Berufen, Tischlern und im öffentlichen Dienst. taz/dpa
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