Auf Du und Du mit dem Heimatsender: Programm-Ruhestand
■ Intendant: Radio Bremen wird schon in diesem Jahr ziemlich ausgedünnt
Bei Radio Bremen (RB) soll sich niemand mehr in Sicherheit wiegen. Mit spürbaren Einschnitten ins Programm will der neue Intendant des Senders, Heinz Glässgen, schon in diesem Jahr zeigen, dass die kleins-te ARD-Anstalt bis 2005 dras-tisch sparen muss. Bis zum 30. April will der RB-Chef 15 Millionen Mark für einen Vorruhestands-Fonds zusammenkratzen. Dieser Fonds soll unter anderem durch die Streichung von Kommentaren, Glossen und anderen Bremen-bezogenen Beiträgen auf der Hansawelle sowie durch die Einstellung des „Journals am Mittag“ im Kulturprogramm Radio Bremen 2 finanziert werden. Die Folge: RedakteurInnen müssen wieder häufiger ans Mikro, freien MitarbeiterInnen werden die Aufträge gestrichen. Radio-Bremen-Sprecher Michael Glöckner bestätigte diese Pläne. Entschieden sei aber noch nichts. Der genaue Umfang der Programmeinschnitte hänge davon ab, wie viele ältere RB-MitarbeiterInnen in den Vorruhestand gehen wollen.
Die geplanten Programmkürzungen sind jedoch nur das Vorspiel für das eigentliche Sparprogramm. Wie berichtet, muss der Sender in den nächsten fünf Jahren Schritt für Schritt auf rund 50 Millionen Mark verzichten. Verantwortlich dafür ist der Beschluss von ARD-Intendanten und MinisterpräsidentInnen, den Finanzausgleich zwischen reichen und armen Sendern auf ein Prozent des ARD-Gesamtetats zu kürzen. Zurzeit erhält Radio Bremen über 40 Prozent seines Etats von knapp 190 Millionen Mark aus dem Finanzausgleich.
Für die Radio-Bremen-Gremien und den Intendanten Heinz Glässgen hat in diesen Tagen die Woche der Wahrheit begonnen. In einer Klausursitzung hat Glässgen gestern Abend den Rundfunkrat darüber informiert, wie er die Eigenständigkeit des Senders trotz der Radikalkur erhalten will. Nach dem Personalrat (heute) will Glässgen morgen der Betriebsversammlung und der Öffentlichkeit seine Pläne vortragen. Schon im Vorfeld hatte er „drastische Einschnitte bei Personal und Programm“ angekündigt und den Stellenabbau grob auf 150 der rund 600 festen Stellen geschätzt.
Im Sender sind die Stimmungen so beunruhigt wie unterschiedlich. Erste MitarbeiterInnen verlassen das „sinkende Schiff“ und Bremen – zum Teil freiwillig, zum Teil nicht. Die Verträge von acht noch vom alten Direktorium eingestellten Angestellten hat Glässgen in befristete Verträge umgewandelt. Für die neue 58er-Vorruhestandsregelung gibt es 70 KandidatInnen. Bis jetzt hat erst eine Minderheit zugestimmt.
Jeder RB-Sparkommissar steckt im Dilemma zwischen individuellen Interessen und der Existenzsicherung des ganzen Senders. Das gilt auch für Glässgen. Ein RB-Solidarpakt ist dem Vernehmen nach zurzeit kein Thema. ck
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