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Auf Du und Du mit Dr. Oetker„Kaputtgerechnet“

■ Ärger über Wegzug von „Gourmet“

„Das ist Kapitalismus“, reagierte Werner Hoyer, SPD-Deputierter für den Fischereihafen, nüchtern auf den vom Oetker-Konzern verkündeten Umzug der Gourmet-Menü Tiefkühlspezialitäten GmbH von Bremerhaven nach Emden. Seinen Ärger über das Vorgehen von Oetker machte hingegen Armin Winninger Luft. Der Geschäftsführer der Fischereihafenbetriebs- und Entwicklungsgesellschaft (FBEG) wirft dem Bielefelder Lebensmittelkonzern vor, den Standort Bremerhaven kaputtgerechnet zu haben.

Menü-Gourmet wird zum Jahreswechsel 1996/97 mit der gesamten Produktion nach Emden umziehen. Betroffen davon sind 45 MitarbeiterInnen, denen auf einer Belegschaftsversammlung Abfindungen angeboten wurden. Für 15 dieser 45 Beschäftigten besteht indes Hoffnung: Die Gourmet-Vertriebsgesellschaft, die nicht zum Oetker-Konzern gehört, bleibt in Bremerhaven und dürfte, so die Planung des Gesellschafters Frank Hoffmann, etwa 15 Mitarbeiter weiterbeschäftigen.

Das Gourmet-Produktionsgebäude gehört der FBEG. „Wir haben alles getan, um Gourmet-Menü zu halten“, beteuert Winninger. In langwierigen Verhandlungen sei die FBEG auf jeden Wunsch des Oetker-Konzerns eingegangen. Doch Oetker wollte von vornherein nach Emden, vermutet Winninger. Die ganze Verhandlerei sei „vergebliche Liebesmüh“ gewesen.

Oetker hatte die Produktion der Gourmet Menü erst zum 1. Januar 1995 übernommen. Begründet wird den Umzug nach Emden, der noch im Mai dementiert wurde, mit Kostenvorteilen des Standortes Emden. Der bestehende Betrieb in Bremerhaven sei zu klein geworden, ein Neubau auf der grünen Wiese oder die Verlagerung in ein anderes Gebäude aber teurer als der Umzug, ließ die Oetker- Pressestelle verlauten. In Emden verfügt Oetker über eine fertige Produktionsstätte, einen ehemaligen Fischverarbeitungsbetrieb, der erst vor vier Jahren errichtet worden ist.

Armin Winninger läßt diese Oetker-Argumentation nicht gelten. Die Kosten für einen Neubau seien zu hoch angesetzt. Oetker habe mit acht bis neun Millionen Mark für einen Neubau kalkuliert, die FBEG in einer eigenen Rechnung aber nur mit fünf bis sechs Millionen. Zusätzlich zur 35-Prozent-Förderung durch die Europäische Union hätte unter Umständen auch die Stadt noch Zuschüsse leisten können, „aber Oetker wollte gar nicht.“ Winningers Kommentar: „Wenn man einen Betrieb kaputtrechnen will, dann kann man das tun.“

Der Oetker-Umzug wird auch ein politisches Nachspiel haben. Helmut Kuhlmann, Vorsitzender der AfB-Stadtverordnetenfraktion Bremerhaven, will das Thema auf der nächsten Stadtverordnetenversammlung erörtern. „Es darf nicht sein, daß Firmen aus Kosten- und Platz-

gründen Bremer-

haven verlassen.“ Der Oetker-Betrieb passe genau in das Konzept des Fischereihafens, der zu einem Zentrum der Nahrungs- und Genußmittelproduktion ausgebaut werden soll. Vorwurf der AfB: SPD und CDU setzten sich nicht energisch genug für den Erhalt von Arbeitsplätzen ein.

Gelassen reagierte Werner Hoyer, SPD-Deputierter für den Fischereihafen, auf diesen Vorwurf: „Sie können nicht jede Firma mit Geld halten.“ Hans Richard Wenzel, bündnisgrüner Stadtverordneter in Bremerhaven, forderte, daß endlich ernst gemacht werde mit der gemeinsamen Landesplanung. Die Städte dürften sich ansiedlungswillige Firmen nicht gegenseitig abspenstig machen. Die Praxis der Wirtschaftsförderung grenze an Bestechung.

lore

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