Auch ".taz" würde möglich: Eine Domain für jeden
Bislang sind Top-Level-Domains wie ".de" oder ".info" streng reglementiert. Das könnte sich ändern: Die "Internet-Regierung" ICANN erwägt das Adresssystem radikal zu erweitern.
Wer sich heutzutage eine Internet-Adresse sichern will, sucht sich erst einen passenden Adressraum wie ".de" oder ".com" aus und schaut dann nach, ob der gewünschte Name, im Netzsprachgebrauch Domain genannt, noch frei ist. Der Adressraum wie ".de" oder ".com" - auch als Top-Level-Domain (TLD) bekannt - ist hingegen nur im Rahmen dessen wählbar, was eben an jenen TLDs weltweit vorhanden ist, also von der Internet-Verwaltung zugelassen wurde.
Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), zuständig für das Namensystem im Netz und gerne auch als "Internet-Regierung" bezeichnet, denkt nun darüber nach, den aktuellen Ansatz radikal zu verändern. Künftig soll es auch möglich sein, sich seine TLD auszusuchen. Dann wäre es beispielsweise möglich, einen Adressraum ".taz" einzuführen, in dem sich alle taz-Leser tummeln. Oder ".schwimmbad" für Schwimmbadfreunde. Oder ".nachname" für Angehörige einer Namensfamilie - die Möglichkeiten wären unbegrenzt.
Entsprechende Planungen laufen bereits seit drei Jahren, eine Abstimmung über die Zulassung soll noch in dieser Woche erfolgen. Die ICANN will allerdings kein völliges Chaos: Zunächst sollen Gruppen, Gemeinden und Firmen die Möglichkeit erhalten, eigene Adressräume zu besetzen, Einzelpersonen hingegen nicht. Sollte das Vorhaben umgesetzt werden, könnten bis Ende des Jahres dennoch hunderte neuer TLDs hinzukommen, später gar tausende. Paul Twomey, Leiter der ICANN, sagte gegenüber der britischen "BBC", dies sei "die größte Veränderung, die es seit Jahrzehnten im Internet gegeben" habe. "Das ist so wie in den Vereinigten Staaten im 19. Jahrhundert. Wir sind dabei, neues Land freizugeben und die Leute werden kommen und sich dieses Land sichern", ist der ICANN-Chef überzeugt.
Nicht, dass es derzeit wirklich zu wenige Top-Level-Domains geben würde: Neben über 20 generischen Adressräumen von ".com" bis ".travel", von denen einige erst in den letzten Jahren nach teils heftigen Diskussionen hinzukamen, existieren über 250 so genannte "Country Code Top Level Domains" (ccTLDs), die für einzelne Länder stehen. Einige davon wie etwa ".ag" (Antigua), ".fm" (Mikronesien) oder ".tv" (Tuvalu) werden längst als so genannte "Vanity Domains" genutzt - das heißt, viele Nutzer kennen sie nicht als Adressraum für ein Land, sondern als zu einer Website passende Bezeichnung (im obigen Beispiel: Aktiengesellschaft, Radiostation, TV-Sender). Länder wie Tuvalu haben aus ihren einprägsamen ccTLDs inzwischen längst Kapital geschlagen, andere Regionen wie das kleine Montenegro (".me") sind derzeit dabei.
Sollte die ICANN den Top-Level-Domain-Bereich tatsächlich stärker öffnen, wie es nun geplant ist, würde das nicht nur eine massive Umstellung für die Nutzer bedeuten, sondern eventuell auch mehr Missbrauch Tür und Tor öffnen. Schon jetzt kämpfen Behörden gegen Spammer und andere Online-Kriminelle, die sich hinter zwielichtigen Adressräumen verstecken, wo sich Domains anonym registrieren lassen. Sollten TLDs freier verfügbar werden, würde sich das Problem womöglich vervielfachen. Hinzu käme ein enormer Verwaltungsaufwand, der schon beim jetzigen System nicht gerade klein ist: Jeder Betreiber eines neuen Adressraums müsste dafür sorgen, dass dieser im Konzert des Internet-Namensystems auch wirklich zuverlässig funktioniert.
Die Freigabe neuer TLDs soll laut ICANN grundsätzlich ohne Ansehen des gewählten Namens erfolgen. Allerdings ist ein Schiedsprozess geplant, der sicherstellen soll, dass es beispielsweise nicht zu Markenrechtsverletzungen kommt. Wie viel eine eigene TLD kosten wird, hat die ICANN bislang noch nicht festgelegt. So billig wie einzelne Domains, die es schon für wenige Euro im Jahr gibt, wird es jedoch wohl kaum werden, der Preis dürfte sich eher in Tausenderregionen bewegen. Hinzu kommt die notwendige technische Infrastruktur, um den Adressraum anzubieten - Domainfirmen arbeiten aber bereits an solchen Lösungen, die ein Nutzer dann mieten könnte. Einzelpersonen will die ICANN mit der Zeit ebenfalls zulassen, allerdings sollen die laut Twomey zumindest einen "Businessplan oder den Nachweis technischer Kenntnisse" erbringen.
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