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„Auch Kinder sind mal krank“

■ Hamburgs Kitas sind angeblich nicht ausgelastet / Zahlenspiele des Rechnungshofs machen Erzieher und Eltern kirre Von Kaija Kutter

Bei Eltern und ErzieherInnen trieb gestern eine Nachricht den Adrenalinspiegel kräftig nach oben. Man solle doch, so ein Vorstoß des Rechnungshofes, 2000 Kinder zusätzlich in den Kindertagesheime aufnehmen und damit einen „kostenneutralen“ Beitrag zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz leisten. Da die 19.000 Plätze der „Vereinigung städtischer Kindertagesheime“ im Schnitt nur zu 78,6 Prozent ausgelastet seien, wäre die Steigerung der „Mehreinweisungsquote“ auf 20 Prozent geboten.

Die staatlichen Finanzprüfer hatten tageweise Stichproben erhoben und schlußfolgerten, daß es eine Differrenz zwischen dem offiziellen „Belegungsgrad“ und dem tatsächlichen „Auslastungsgrad“ der Kitas gebe. Plätze im sogenannten „Elementarbereich“ für drei- bis sechsjährige wären nur zu 86,2 Prozent ausgelastet, Plätze in Krippen gar nur zu 63,2 Prozent.

„Der Rechnungshof hat schlicht entdeckt, daß auch Kinder mal krank sind oder mit ihren Eltern in Urlaub fahren“, konterte gestern Vereinigungs-Chef Martin Schaedel. Außerhalb der Ferienzeiten wären in einer Gruppe durchschnittlich 18 Kinder anwesend, „an manchen Tagen nur 15 oder 16, an anderen dafür 21 oder 22“. Wer die Arbeit in Kitas kenne, der wisse, „was für eine anspruchsvolle Aufgabe es ist, 20, 18 oder 16 Kinder zu betreuen“.

Daß die Aufnahmeverpflichtung mit der tatsächlichen Anwesenheit der Kinder nicht übereinstimme, sei eine „Selbstverständlichkeit“, die schon bei der Festlegung der Gruppengrößen allen bekannt gewesen sei. So nimmt die Vereinigung bereits heute 22 statt der im Kita-Bedarfsplan festgelegten 20 Kinder auf. Ginge es nach dem Rechnungshof, so wären es 24. Der Vorstoß der Finanzprüfer, so Schaedel, sei in Wahrheit eine „verdeckte Diskussion um die Frequenzen“.

„Fakt ist, daß die Vereinigung heute 20.000 Kinder betreut, obwohl sie nur Geld für 19.000 bekommt“, sagt auch Jugendamtsleiterin Gitta Trauernicht, die aus „fachpolitischen Gründen“ den Vorstoß strikt ablehnt. Wenn es 1996 Engpässe bei der Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz gäbe, wäre „dieser Weg für mich der allerletzte“.

Die Vereinigung führt in ihrer offiziellen Stellungnahme ein weiteres Argument an: Auch das Personal fällt wegen Krankheit und Urlaub zu 25 Prozent aus. Da es nur eine Vertretung für drei Prozent gibt, gleiche sich das Fehlen von Kindern und Erziehern „günstigstensfalls gegeneinander aus.“ Replik des Rechnungshofes: Überdurchschnittlichen Fehlzeiten müsse die Vereinigung eben nachgehen.

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