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Attentate verschärfen Spannungen im Libanon

■ Anschläge auf Verbündete der Palästinenser, den drusischen Sicherheitschef Haitham und Sunnitenführer Saad schlugen fehl Kundgebungen für Saad und Generalstreik in Saida / Drusenführer Junblatt gegen Annäherung an Syriens Staatspräsidenten Assad

Aus Beirut Joseph Katz

Nach zwei Mordversuchen am Sonntag abend und einer nachfolgenden Entführungswelle haben sich die Spannungen im Westteil der libanesischen Hauptstadt Beirut verschärft. Die Schiitenmiliz Amal und die drusische PSP lieferten sich sporadische Gefechte. In der südlibanesischen Stadt Saida war das öffentliche Leben durch einen zweistündigen Generalstreik lahmgelegt. Am Sonntag abend war der Konvoi von Mustafa Saad, dem Chef der Nasseristischen Volksbefreiungsorganisation (OPN), auf einem von Amal kontrollierten Abschnitt der Küstenstraße zwischen Beirut und Saida beschossen worden. Saad blieb unverletzt, drei Leibwächter wurden verwundet, zwei weitere sind verschwunden. Mustafa Saad war bereits am 31.Januar Opfer eines Anschlages. Bei der Explosion einer Autobombe vor seinem Haus wurde seine neunjährige Tochter getötet. Er selbst verlor sein Augenlicht. Saida war damals noch israelisch besetzt. Saad ist bei den rund 400.000 meist sunnitischen Einwohnern seiner Heimatstadt sehr beliebt. Er unterhält gute Beziehungen zu den 80.000 Palästinensern, die in Flüchtlingslagern östlich der Stadt leben. Tausende von Demonstranten zogen am Montag durch die Straßen von Saida. Politische und religiöse Führer der Stadt sowie palä stinensische Delegationen kamen am Abend vor der Wohnung des örtlichen Führers zusammen, während Libanesen und Palästinenser Parolen riefen und Saad ein „langes Leben“ wünschten. Ein zweiter Anschlag ebenfalls am Sonntag abend richtete sich zwei Stunden zuvor in Ouzai gegen Abu Haitham, den Verantwortlichen für den Geheimdienst der drusischen PSP von Walid Junblatt. Der Sicherheitschef wurde dabei verletzt und zwei seiner Leibwächter getötet. Dieser Mordversuch hat zu einer äußerst gespannten Situation in Westbeirut geführt. Milizionäre zogen durch die Straßen. Gerüchte um Entführungen und Gegenentführungen zwischen der PSP und Amal kursierten. Die Anschläge galten Verantwortlichen von zwei Organisationen, die über enge Beziehungen verfügen. Junblatt und Saad unterhalten außerdem gute Kontakte zu den Palästinensern, die sich seit 111 Tagen im Krieg mit der schiitischen Amal befinden.Die Führer der PSP und OPN machen auch Syrien reichlich zu schaffen, einem eingeschworenen Gegner von PLO–Chef Arafat. Mit letzterem unterhalten die beiden Politiker diskrete, aber kontinuierliche Verbindung. Am Sonntag hatten Junblatt und Saad noch die Annäherung zwischen dem libanesischen Präsidenten Gemayel und dem syrischen Staatschef Assad kritisiert. Junblatt fragte, wie man das Land mit Leuten wieder aufbauen könne, „die 1982 und 1983 den Libanon an Israel verkauft haben“. Damit spielte er auf zwei Mitarbeiter Gemayels an, die derzeit in Damaskus die Tagesordnung für den zwölften syrisch–libanesischen Gipfel aushandeln. Dem Sunniten Saad wirft die Schiitenbewegung Amal vor, den Palästinensern bei der Eroberung Magdouschis geholfen zu haben. Außerdem bangt Amal um die Passierbarkeit der Küstenstraße, die von Beirut durch Saida in ihr überwiegend schiitisches Hinterland im Süden führt. Die Konfliktparteien bemühten sich am Montag, die Ereignisse herunterzuspielen, während Gerüchte über eine bevorstehende Verstärkung der syrischen Truppen in Westbeirut kursierten, die von den Verhandlungen um einen syrisch–libanesischen Gipfel abhängig zu sein scheinen.

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