Attentäter von Detroit: Aus bestem Hause
Der Attentäter von Detroit entstammt einer der mächtigsten Familien aus dem muslimischen Norden Nigerias. Der Vater ist ein angesehener Bankier.
BERLIN taz | Einen schlechten Ruf hatte Nigeria schon vorher: Land der E-Mail-Betrüger und brutalen Gewaltherrscher. Jetzt verantwortet nicht nur ein Nigerianer den Terroranschlagsversuch von Detroit, sondern er gehört auch noch zur Elite seines Landes, ein Yuppie-Islamist, afrikanisches Pendant zu verzogenen arabischen Prinzen.
Der 23-jährige Attentäter Umaru Farouk Abdul Mutallab lebte in einer Londoner Edelwohnung, war zuvor angeblich in Jemen, kaufte sein US-Flugticket kurz vor Weihnachten in Ghana und bezahlte bar. Er soll sich schon als Schüler, wie die nigerianische Zeitung This Day berichtet, für die Taliban und für fundamentalistisches Gedankengut begeistert haben. Sein Vater sagte am Samstag, er habe die US-Behörden persönlich vor seinem "seltsamen" Sohn gewarnt und wundere sich, wieso er auf keiner Terrorliste stand. So wundern kann sich nur jemand, dessen Wort üblicherweise Gesetz ist.
Vater Alhaji Umaru Mutallab ist einer der respektiertesten Bankiers Nigerias. Er war bis zu seiner Pensionierung Mitte Dezember Direktor der First Bank Nigeria, der ältesten und größten Bank des Landes, und gehört zum engsten Kreis des Establishments aus dem muslimischen Norden Nigerias, das das Land seit der Unabhängigkeit 1960 beherrscht. Er stammt aus dem nordnigerianischen Katsina und ist ein Schulfreund des heutigen Präsidenten Umaru Musa YarAdua. Für diese geborenen Führer ist Nigeria, das Land mit den größten Ölreserven und den meisten Menschen in Afrika südlich der Sahara, vor allem eine Goldgrube. Aus den klimatisierten Vorstandsetagen glitzernder Bankhäuser sieht das nigerianische Chaos ganz anders aus als am stickigen Boden: ein Wuseln von Abermillionen Ameisen, geleitet durch die unsichtbare Hand des Establishments, in der alle Fäden zusammenlaufen.
In den Jahren seit Nigerias Demokratisierung 1999 wurden diese Fäden neu gesponnen. Privatisierungen, Ölreformen und dieses Jahr eine überfällige Bankensanierung haben viel neues Geld in alte Taschen gelenkt. Dass dies auch die nördliche Elite mit finanziellen Mitteln vor möglichen Machtverlusten an der Wahlurne schützen soll, gilt vielen Nigerianern als ausgemacht - ebenso, dass die immer zahlreicher werdenden radikalen Islamisten des Landes von oben gesponsert werden. Denn viele ihrer Wortführer sind gescheiterte Existenzen aus wohlhabenden Familien.
Schon im Juli, als Kämpfe zwischen Armee und der militanten Gruppe Boko Haram in Nordostnigeria über tausend Tote forderten, wurde über eine Hinwendung nigerianischer Islamisten zu al-Qaida spekuliert. Terroristenvater Mutallab sollte sich nicht wundern, wenn er nun selbst ins Zwielicht gerät. Er hat mit Partnern aus Saudi-Arabien und Indonesien Nigerias erste islamische Bank gegründet, Jaiz International, die kurz vor der Eröffnung steht. Jetzt hat sein Sohn Nigeria einen Schritt weiter geführt: ins schummrige Umfeld des islamistischen Terrors.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Pressefreiheit unter Netanjahu
Israels Regierung boykottiert Zeitung „Haaretz“
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Twitter-Ersatz Bluesky
Toxic Positivity