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Attac-Bankentribunal in BerlinRun auf Aufarbeitung der Finanzkrise

Auf den Straßen gab es bislang kaum Proteste, aber die Karten für das Bankentribunal sind weg. In einer Inszenierung werden die Krisen-Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen.

Das Thema Finanzkrise wird in Berlin kritisch aufgearbeitet. Bild: pa

Die angekündigte Teilnahme von CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel als Angeklagte hat sich als Aprilscherz herausgestellt. Trotzdem sind vor dem Attac-Bankentribunal am Wochenende in Berlin die rund 800 Plätze in der Volksbühne ausverkauft. Karten gibt es nur noch für die Videoübertragung, die im Foyer des Theaters stattfinden soll, so die Veranstalter. "Dieses enorme Interesse zeigt, wie stark vielen Menschen das Thema unter den Nägeln brennt", sagte Mitorganisatorin Jutta Sundermann vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis.

Mit dem Bankentribunal will das globalisierungskritische Netzwerk den Ursachen der Finanzkrise nachgehen und in einem inszenierten "zivilgesellschaftlichen Prozess" die Verantwortlichen der Finanzkrise zur Rechenschaft ziehen. Viele Menschen würden "eine echte Auseinandersetzung über die Ursachen der Finanzkrise" einfordern und erwarten, "dass endlich die notwendigen Konsequenzen gezogen werden", so Sundermann. Zu den Angeklagten des Tribunals gehören neben Exkanzler Gerhard Schröder und dem ehemaligen Finanzminister Peer Steinbrück (beide SPD) auch die aktuelle Bundesregierung, vertreten durch Merkel.

Die Kläger werfen der Kanzlerin vor, "die bevorstehende Finanzkrise ignoriert, keine Prävention betrieben und auch nach Ausbruch der Krise keinen seriösen Versuch unternommen zu haben, das globale Finanzsystem zu regulieren". Stattdessen habe sie die Kosten der Bankenrettung in Komplizenschaft mit den Banken der Allgemeinheit auferlegt. Auch Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und der Chefkurator der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Hans Tietmeyer, sind angeklagt. Das Richteramt bekleiden unter anderem der Sozialethiker Friedhelm Hengsbach und taz-Wirtschaftskorrespondentin Ulrike Herrmann.

Und tatsächlich belegt der hohe Andrang auf die Eintrittskarten, dass das Interesse zur Aufarbeitung der Finanzkrise groß ist. Mehr jedoch bisher offensichtlich nicht. Bereits vor einem Jahr - wenige Monate nachdem die Finanzkrise von der Lehman-Pleite ausgehend binnen kurzer Zeit auch über den Atlantik nach Deutschland schwappte - hatten sich die Globalisierungskritiker zuversichtlich gegeben, dass die Wut über das Gebaren der Banker und Politiker in Protest auf der Straße münden würde. Viel mehr an Massenprotesten als die große Krisendemo im März 2009, die als Auftakt gedacht war, folgte aber nicht.

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10 Kommentare

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  • DH
    Dr. Harald Wenk

    Ich nehme an, andere Freizeitbeschäftigungen am Wochende haben ein Teil der kritischen Kommentare hier durch die klassische Quelle aller Irrtümer: Fehlen von Informationen - hier mit "Unterlassen" der Rohdatenaufnahme durch Verfolgen des 12 Stundenmarathons - hervorgerufen.

  • T
    Technixer

    Das Bürgertum, quasi den Kleinaktionär an zu klagen stand erst im Raum.

     

    Natürlich sind diese Menschen für einen Großteil vom Kapital verantwortlich, ABER! bei vielen von jenen sind sämtliche Ersparnisse verpulvert worden (siehe HRE Anleger oder US Lehrerfond), diese Menschen denken um. sie sind auch nicht Entscheidungsträger. Der Boni-Süchtige Bankster trägt ungleich mehr Schuld, da es seine Aufgabe und die der Medien gewesen wäre über Risiken und vor allem Probleme mit Finanzkonstrukten dererlei Art auf zu zeigen. Die Politik stellte die Weichen für das "Erfolgsrezept".

     

    Es gilt das gleiche Prinzip mit Riester, monströse Public Relation Denkfabriken propagieren jahrelang die Probleme der Umlage-finanzierten Rente, schwupps holen sich viele den Riester Ramsch ins Haus.

     

    ES SIND DIE MEDIEN! Deren Aufgabe ist es Öffentlichkeit zu schaffen und zu informieren!

    ES IST DIE POLITIK! "Dem Deutschen Volke" zu dienen.

     

    Der Mensch ist nunmal häufig das Produkt seiner Umgebung.

     

    Daher wurde eine Anklage des Bürgers beim Tribunal abgelehnt.

  • T
    Tegel

    Attac steht in der schlechten Tradition der Linken, gewaltiger theoretischer Überbau und leider kein praktischer Zugang zur Realität. Da helfen auch die heftigsten Einschläge der Finanzkrise nicht zum Begriff, es langt zu einem hormonellen Aufbruch mit inbrünstig göttlichem Gerechtigkeitsanspruch.

     

    Das kann es nicht sein.

  • H
    harun

    wenn es den tazlern auch nicht gefällt- herr kaden könnte die beste verteidigung seines mandanten direkt aus dem kapital von karl m a r x beziehen:

     

    waren,geld,kapitalfetischismus machen für den normal-manager die tiefere dynamik der "schönen maschine"blake? ebenso schwierig wie die persönliche identifikation des ökon. akteurs mit seiner ökomischen funktion ihn nach m a r x in eine charaktermaske mit reflexionsdefiziten verwandelt.

     

    dennoch bleiben für jedes ökon. individuum freiheitsspielräume, seine evtl menschenverachtenden profitmaximierungen verantwortungsethisch relevant´;

    dazu kann kaden sich bei wirtschaftsethikern erkundigen.

     

    attac, herrn kaden und vielen anderen täte wie oben kollege morgenthau richtig schreibt, gründliche kapitalismuskritik gut- eine m a r x i s t i s c h e-stsnd das ursprünglich in deinem text, kollege?

  • E
    end.the.occupation

    Was ist eigentlich mit Ulrike Herrmann passiert?

     

    Wie kommt es, dass man diese zutreffende Analyse

     

    Die Mittelschicht betrügt sich selbst

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,687760,00.html

     

    nur - und ausgerechnet - im SPIEGEL wiederfindet?

     

    Neuerdings mehr Selbstkritik im SPIEGEL, wie in der taz? Der Terminus 'Inszenierung' lässt ja schon einige Schlüsse zu.

     

    Sind nunmehr BILD und WELT die bevorzugten nächsten Karrierestufen der taz'ler?

  • D
    DenkSchlächter

    Angesichts der Tatsache, daß sich weder Politik noch die Wirtschaft hinreichend um Gründe, Verursacher und Folgebeseitigung der Bankenkrise und um Korrektur von Mißständen kümmert, ist es angebracht, das entsprechende Klientel – wenn auch nur symbolisch – an den Pranger zu stellen.

    Selbst sind diese Leute viel zu abgehoben und gehen ihren eigenen Interessen weltweit in volks- und staatsschädigender Weise weiterhin ungerührt nach.

    Gewinne privatisieren – Verluste sozialisieren – ist deren Motto, oder anders ausgedrückt: die Großen kassieren, die Kleinen zahlen.

    Eigentum verpflichtet? Das steht im Grundgesetz, und da soll es offensichtlich auch nach Maßgabe der Mächtigen in Politik und Wirtschaft auch bleiben.

    Wenn nichts dagegen unternommen wird, werden wir uns auf Dauer damit abfinden müssen, daß dies so bleibt.

    Attac sei Dank, hoffentlich macht die Aktion auch Lust auf mehr. Auch im Ausland!

  • D
    Darkspirit

    Es geht nicht um die Verursacher, sondern um die Prävention.

    Das die dahin verkacken, war abzusehen - man hätte aber bei uns Sicherheiten dagegen aufbauen können.

    Und ja, attac ist eine geile Sache ;-)

  • AM
    Abraham Morgenthau

    Klar, man kann immer diverse Personen für die Krise verantwortlich machen. Gierige Manager, unfähige Banker etc.

     

    Doch dabei begeht man den großen Fehler einer personalisierten Kapitalismuskritik. Klar ist es leichter, die Schuld jemanden hin zuschieben und bestimmt Personen bzw. Personengruppen verantwortlich zu machen, als eine kausale Analyse zu tätigen.

     

    Denn Krisen sind systemimmanent und kehren immer wieder. Das Problem liegt nicht in der personellen Fehlbesetzung oder falschen Rahmenbedingungen (Gesetzen etc.) sondern an den Grundprinzipien des Kapitalismus.

     

    Wer sich ernsthaft mit Krisenprävention beschäftigt, wird nicht an einer radikalen Kapitalismuskritik vorbeikommen.

     

    wer mehr lesen mag:

     

    http://strassenauszucker.blogsport.de/2009/04/21/der-kriegt-die-krise-immer-wieder-finanzkrisen-und-kapitalismus/

  • RN
    real news

    Weder Merkel noch Schroeder haben Schuld an der Krise. Die "Macher" waren in USA: Milton Friedman, Robert Rubin, and besonder Alan Greenspan - und die "Agenten" der USA in der BDR - besonders in den "konservativen Medien" und in den Finanzhandelskammern.

  • P
    peter

    yes, yes, yes