Atommüllzug 14 Stunden aufgehalten: AKW-Gegner happy
Mit 14 Stunden Verspätung haben die Castoren Dannenberg erreicht. Von dort wird das radioaktive Material auf der Straße nach Gorleben gebracht.
Die AKW-Gegner aus dem Wendland haben dem elften Castor-Transport zum Zwischenlager Gorleben bis Montagabend mit immer neuen Blockadeaktionen den Weg versperrt. Nach den Planungen der Polizei sollten die elf Atommüllbehälter mit hochradioaktivem Müll aus Frankreich Montagfrüh im Zwischenlager eintreffen. Tatsächlich hatte am späten Nachmittag der Straßentransport von Dannenberg nach Gorleben nicht einmal begonnen.
Genau um 1.13 Uhr am frühen Morgen hatte der am Freitag nahe der Wiederaufbereitungsanlage La Hague losgefahrene Atommüllzug die Umladestation in Dannenberg mit mehr als 14 Stunden Verspätung erreicht. Nach der Gleisblockade in Wörth sorgten weitere Blockade der Strecke von Lüneburg nach Dannenberg für Verzögerungen. Ungewöhnlich lange, nämlich bis kurz vor 13 Uhr dauerte anschließend auch das in Dannenberg übliche Umsetzen der Atommüllbehälter vom Zug auf Straßentieflader. Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg vermutete dahinter Probleme mit der besonders starken Strahlung der Behälter.
Der Polizei zufolge war der Konvoi aus den Behältern und den zahlreichen begleitenden Ordnungskräften um 14 Uhr abfahrbereit. Allerdings waren die Straßen nach Gorleben zu diesem Zeitpunkt alles andere als passierbar.
Vor dem Zwischenlager hatten sich über 1.000 AKW-Gegner zu einer Sitzblockade niedergelassen. Selbst direkt über der Einfahrt warnte noch ein Plakat der gut gelaunten, oft jungen Blockierer die Atomindustrie mit den Worten: "Gegen unsere Lebendigkeit seid ihr machtlos." Die Polizei trug die Blockierer über die Mittagsstunden von der Straße. Es sei zwar zu Rangeleien gekommen, Knüppeleinsätze aber habe es nicht gegeben, sagte Jochen Stay von der Aktion X-tausendmal quer. Die Räumung endete gegen 15.15 Uhr. Damit war das Zwischenlager fast zwei Tage lang blockiert.
Am späten Vormittag hatten acht Aktivisten in Grippel zudem ein neues Hindernis für den Transport errichtet. In der fünf Kilometer vor Gorleben gelegenen Ortschaft ketteten sie sich an zwei Betonpyramiden an. In Grippel laufen die nördliche und die südliche Straße zusammen, über die der Atommüll zum Zwischenlager rollen kann. Jeweils vier AKW-Gegner steckten mit je einem Arm in einer Betonpyramide und hatten die Hand im Innern festgeschlossen. Spezialisten der Polizei suchten vor Ort nach Lösungen. Einem Polizeisprecher zufolge überlegten sie sogar, die Pyramiden mit Presslufthämmern zu beseitigen. Der Konvoi von Dannenberg zum Zwischenlager sollte erst nach Räumung der Strecke abfahren.
Stay zog schon während der Räumung ein positives Fazit: "Natürlich werden wir hier geräumt, aber wir haben jetzt schon gewonnen", sagte er. Auch die Bürgerinitiative zeigte sich zufrieden. "Wir haben uns eindrucksvoll zurückgemeldet", sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Vor allem habe man gezeigt, dass "Atomausstieg und Endlagerung keine regionalen Probleme des Wendlands, sondern bundesweite Probleme" seien. Charakteristisch für die Castor-Protesttage im Wendland war erneut die Vielfalt der Aktion und Darbietungen. Es gab viele Kulturveranstaltungen gegen den Castor. Und es gab die verschiedensten Arten von Blockaden.
Sonntagabend gingen immer wieder mit roten Zwergenmützen ausgestattete oder als Clowns verkleidete AKW-Gegner auf die Gleise. Zu Klängen von Trommeln, Dudelsack oder Akkordeon tanzten sie vor den Augen der Polizei auf den Schienen, während an anderer Stelle Castor-Gegner Schottersteine aus dem Gleisbett wühlten.
Am Montag wollte der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann auf einer Pressekonferenz in Lüchow den erfolgreichen Polizeieinsatz bilanzieren. Diese Veranstaltung wurde abgesagt.
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