Atommüll: Neuer Behälter für den ganz fiesen Müll
Beim nächsten Castortransport nach Gorleben kommt erstmals ein neuartiger Castorbehältertyp zum Einsatz. Atomkraftgegner rügen das Prüfverfahren und fordern die Offenlegung der Sicherheitsprüfungen.
![](https://taz.de/picture/322089/14/cyber_atom_5sp_sw.jpg)
Der nächste Castortransport nach Gorleben im Herbst wird in doppeltem Sinn eine heiße Sache. Zum einen erwarten die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg und die anderen Widerstandsgruppen aus dem Wendland nach immer neuen Aktenfunden über die Mauscheleien bei der Standortfindung die härtesten Proteste, die es jemals bei Atommülltransporten ins Wendland gab. Andererseits werden die voraussichtlich elf - die Gesellschaft für Nuklearservice, Betreiber des Zwischenlagers, spricht von zehn - Castorbehälter aus der französischen Plutoniumfabrik La Hague heißeren und stärker strahlenden Müll beinhalten als alle anderen Behälter zuvor.
Das zuständige Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) erteilte kürzlich eine entsprechende Änderungsgenehmigung für die Aufbewahrung der neuen Behälter vom Typ Castor HAW 28 M im Gorlebener Zwischenlager. Die Entwicklung neuer Container war nötig geworden, weil der Atommüll aus La Hague heißer ist und stärker strahlt als die bisher angelieferten Abfälle. Gründe sind zum einen ein stärkerer Abbrand der Brennstäbe, zum anderen der Umstand, dass die Kokillen erst vor kurzem produziert wurden und deswegen "heißer" sind als die schon ein Weile in La Hague gelagerten und etwas abgekühlten Kokillen.
Weil es Verzögerungen bei der Zulassung des Castor HAW 28 M gab, fiel im vergangenen Jahr der Castortransport aus. Erst im vergangenen September wurde in Gorleben die Kalthantierung geprobt. Atomgegner begleiteten den An- und Abtransport des leeren Behälters mit Blockaden und Protesten.
Der neue Castor wurde vom BfS bei voller Beladung mit 28 Kokillen für eine maximale Wärmeleistung von bis zu 56 Kilowatt genehmigt. Die bisher zugelassenen Castoren durften höchstens 45 Kilowatt Wärme durch radioaktiven Zerfall erzeugen. Die Prüfungen hätten ergeben, dass "durch angepasste Abschirmung und verändertes Design" auch bei höherem radioaktiven Inventar die gleichen Strahlenwerte eingehalten würden wie bei den bisher eingesetzten Castoren. Das BfS, so ein Sprecher, habe im Genehmigungsverfahren auch die Auswirkungen eines Flugzeugangriffs mit einer großen Passagiermaschine auf das Transportbehälterlager Gorleben untersucht.
Aus Sicht der BI ist das alles viel zu vage. Sie fordert die Offenlegung der Sicherheitsprüfungen für den neuen Castorbehältertyp und hinterfragt die Tests zur mechanischen Belastung und die Feuertests. Nach Informationen der Atomkraftgegner wurde - wie schon bei früheren Castoren - beim Falltest kein Originalbehälter verwendet, sondern nur ein kleineres Modell. Dabei sei klar: Je kleiner und kompakter ein Behälter ist, desto wahrscheinlicher sei ein besseres Abschneiden beim Falltest als mit dem 115 Tonnen schweren Originalkoloss.
Gestern meldeten die Umweltschützer erneut Zweifel an der Langzeitsicherheit der Castorbehälter an. Eine deutsch-US-amerikanische Forschungsgruppe warnt laut Spiegel davor, dass das Glas, das den hochradioaktiven Müll einschließt, bei Wasserkontakt bersten könnte. "Was nützt es, wenn die Genehmigungsbehörde nur den Transport- und Lagerbehälter unter die Lupe nimmt und sich dabei auf Rechenmodelle verlässt, wenn der riskante Stoff, der transportiert wird, in einem Endlager bei Wasserkontakt zerbersten kann", fragt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke.
In der Castorhalle im Gorlebener Wald stehen 91 Behälter, Stellplätze gibt es dort für insgesamt 420 Castoren. In jedem weiteren Transport sehen die Atomkraftgegner eine Zementierung von Gorleben auch als Endlager. Denn falls das Endlager anderswo gebaut würde, müssten alle Castoren wieder aus dem Wendland weggeschafft werden.
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