Atomkatastrophe in Fukushima: Genmutationen in AKW-Nähe möglich
Weiterhin wird in Fukushima radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer gepumpt. Die Aktie von Betrieber Tepco stürzt weiter ab. Erste Entschädigungszahlungen könnten bald fällig werden.
TOKIO afp/dpa/dapd | In dem havarierten japanischen Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi ist auch am Dienstag weiter radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer gepumpt worden. Die Maßnahme sei leider unvermeidlich, sagte Regierungssprecher Yukio Edano bei einer Pressekonferenz. Nur auf diese Weise könne verhindert werden, dass sich noch stärker kontaminiertes Wasser ausbreite.
"Wir verklappen radioaktives Wasser, und das tut uns sehr leid", sagte Edano. Im Bemühen, das von einem Erdbeben schwer beschädigte Kraftwerk zu dekontaminieren, bat die japanische Regierung zudem Russland um die Bereitstellung eines Schiffes, das speziell für die Entsorgung atomarer Abfälle gerüstet ist.
Das kontaminierte Wasser aus dem japanischen Atomkraftwerk Fukushima stellt nach Ansicht von US-Experten keine große Gefahr für Meerestiere dar. Weil die Radioaktivität sehr schnell im Ozean verdünnt werde, sei auch der Verzehr von Meerestieren wenig bedenklich, sagte William Burnett von der Florida State University am Dienstag.
Lediglich im unmittelbaren Umfeld der beschädigten Reaktoren könne es zu genetischen Mutationen kommen, wenn die Einleitung von radioaktiv belastetem Wasser über einen längeren Zeitraum andauere. Bereits ab einer Entfernung von rund 800 Metern bestehe aber kein Risiko, falls die Situation nicht weiter eskaliere, sagte Burnett.
Erste Entschädigungszahlungen
Die Menschen aus der Gegend um das zerstörte Atomkraftwerk Fukushima sollen erste Entschädigungszahlungen bekommen. Das Geld könnte zum Monatsende fließen - wie viel, ist aber noch unklar. Über die Höhe will sich der Betreiber Tepco mit der Regierung beraten, wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo am Dienstag unter Berufung auf den Konzern berichtete.
Weil sich die Atomkrise noch lange hinziehen dürfte, handelt es sich um vorläufige Entschädigungen. Die Zahlungen seien von der Regierung angeordnet worden, sagte Wirtschafts- und Industrieminister Banri Kaieda. Rund 80.000 Anwohner der Atomruine mussten sich auf Weisung des Staates in Sicherheit bringen.
Zudem leiden viele Landwirte darunter, dass sie wegen radioaktiver Verstrahlung ihr Gemüse und Obst nicht mehr verkaufen können. Tepco werde zunächst unter anderem für die Arztkosten und Einkommensausfälle aufkommen, hieß es. Tepco hat bereits damit begonnen, neun betroffenen Gemeinden jeweils 20 Millionen Yen (170.000 Euro) zu zahlen. Die Gemeinde Namie in der Unglücksprovinz weigerte sich jedoch, das Geld anzunehmen. Sie verlangt, dass Tepco sich zuerst direkt bei den Bürger entschuldigt und ihnen Entschädigungen anbietet.
Gefährliche Milbenart nach Tsunami
Das Nationale Institut für Infektionskrankheiten warnt vor einer Ausbreitung des durch die Herbstgrasmilbe verursachten japanischen Flußfiebers, der Tsutsugamushi-Krankheit. Wie die japanische Nachrichtenagentur Jiji Press am Dienstag unter Berufung auf das Institut berichtete, könnten durch Erdrutsche in Folge des Erdbebens vom 11. März Schlammmassen mit der Tsutsugamushi-Milbe in Gebiete gelangt sein, die zuvor nie einen Ausbruch der Krankheit erlebten hatten. Bei einem zwischen 60 und 70 Jahre alten Mann in der Unglücksprovinz Fukushima, wo das havarierte Atomkraftwerk steht, war am 22. März die Krankheit diagnostiziert worden, hieß es weiter.
Der Aktienkurs der Fukushima-Betreiberfirma Tepco ist am Dienstag an der Tokioter Börse unterdes weiter abgestürzt: Er rauschte um rund 18 Prozent in die Tiefe. Grund sind die Zweifel der Anleger an der Fähigkeit des Konzerns, die Lage am Atomkraftwerk Fukushima noch unter Kontrolle zu bekommen. Tepco hatte am Montag begonnen, radioaktiv verseuchtes Wasser in den Pazifik zu leiten, um Platz für stärker belastetes Wasser zu schaffen. Der Firma gelang es nicht, ein Leck am Reaktor 2 zu schließen, durch das seit dem Wochenende radioaktiv verseuchtes Wasser ausläuft.
Tepco-Aktie verliert weiter
Seit der Reaktorkatastrophe infolge des Bebens und des Tsunamis am 11. März hat die Aktie von Tepco bereits mehr 80 Prozent an Wert verloren. Seine Bilanz des Geschäftsjahrs, das bis Ende März lief, verschob der Konzern am Dienstag auf unbestimmte Zeit, wie ein Sprecher sagte. Eigentlich war die Vorlage der Zahlen für den 28. April vorgesehen.
Die Ratingagenturen Moody's und Standard&Poor's haben Tepco wegen des Unfalls und der noch nicht abzusehenden Kosten für Reparaturen und Entschädigungen bereits stark heruntergestuft. Die Regierung schließt eine Verstaatlichung des Konzerns nicht aus. Tepco ist der größte Energieversorger Japans.
Keine Ausnahmegenehmigung für Kyoto beantragt
Japans Regierung hat Behauptungen zurückgewiesen, das Land wolle nach der Katastrophe im Kernkraftwerk Fukushima auf eine Lockerung seiner im Kyoto-Protokoll festgeschriebenen Klimaziele dringen. Eine Sprecherin des Umweltministeriums in der Hauptstadt Tokio sagte am Dienstag, Japan wolle keine Ausnahmegenehmigung beantragen.
Die japanische Tageszeitung Nikkei hatte zuvor berichtet, das Land werde nach dem Erdbeben vom 11. März zur Deckung des Energiebedarfs mehr fossile Kraftstoffe in Strom umwandeln müssen und daher mehr Kohlendioxid ausstoßen.
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