piwik no script img

Atomexperte der Union über Energiewende"Stromleitungen kosten 50 Milliarden"

Joachim Pfeiffer ist Energieexperte der Union. 2010 votierte er für AKW-Laufzeiten von 60 Jahren. Im Interview spricht er über saubere Kernkraft, den deutschen Ausstieg und die hohen Kosten.

Joachim Pfeiffer: "Wir brauchen 4.400 Kilometer an Stromautobahnen" Bild: dpa
Stefan Reinecke
Interview von Stefan Reinecke

taz: Herr Pfeiffer, sind Sie ein Dinosaurier?

Joachim Pfeiffer: Ich fühle mich noch recht lebendig.

Wer die Energiewende und den raschen AKW-Ausstieg nicht mitmacht, ist ein Dinosaurier, sagt Norbert Röttgen. Da hat er auch Sie gemeint.

Das müssen Sie ihn schon selber fragen. Ich fühle mich nicht angesprochen.

2010 wollten Sie noch, dass deutsche AKWs 60 Jahre laufen.

Ich bin doch kein Kernkraftfetischist. Und ob es einem passt oder nicht, 60 Jahre sind nach wie vor der internationale Standard. Kernkraft ist ein Mittel zu dem Zweck, eine sichere, saubere, preiswerte Energieversorgung zu garantieren und den Weg zu den Erneuerbaren zu sichern. Mehr nicht.

Joachim Pfeiffer

ist seit 2009 wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Zuvor war er Koordinator für Energiefragen der Unionsfraktion. Er war im Herbst 2010 ein vehementer Befürworter der AKW-Laufzeitverlängerung.

Also wollen Sie, wie Röttgen, jetzt möglichst schnell aus der Kernkraft aussteigen?

Wir wollen eine saubere, bezahlbare Energieversorgung. Deshalb haben wir im Herbst 2010 das weltweit ambitionierteste Energiekonzept beschlossen, um den Einstieg in das erneuerbare Energiezeitalter zu beschleunigen. Dieses sieht 20 Prozent Energieeinsparung bis 2020 und 50 Prozent bis 2050 vor. Bei den CO2-Emissionen wollen wir 40 Prozent weniger bis 2020, 80-95 Prozent weniger bis 2050. Das geht nur, wenn wir die Erneuerbaren ausbauen. Das gilt nach wie vor.

Und Schwarz-Gelb hat die AKW-Laufzeit verlängert. Da wird gerade der Rückwärtsgang eingelegt. Fahren Sie mit?

Wir haben ein Moratorium bis Mitte Juni. Wir denken nach und überprüfen. Was am Ende steht, ist offen.

Glauben Sie wirklich, dass im Juni die abgeschalteten Altmeiler wieder ans Netz gehen?

Nein, ich rechne damit, dass wir unser Konzept vom Herbst modifizieren. Es ist technisch möglich, schneller aus der Kernenergie auszusteigen. Ich sage nicht: Wenn wir aus der Kernenergie aussteigen, geht das Licht aus. Aber ich bezweifle, ob es sinnvoll ist, wenn nur Deutschland aussteigt, und unsere Nachbarn nicht.

Halten Sie den deutschen Ausstieg im Alleingang für unsinnig?

Da kann man drüber streiten. Tatsache ist, dass 80 Prozent der Wähler derzeit der Meinung sind, das wir schneller aussteigen müssen. Deshalb haben wir Politiker den Auftrag, den Weg dorthin zu finden. Die Politik muss sagen, was das kostet - und zwar nicht nur an Geld. Beim Netzausbau werden die Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigt werden müssen. Es wird Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Stromtrassen und Windkraft geben. Wir brauchen rund 4.400 Kilometer an Stromautobahnen, im Verteilnetz circa 200.000 Kilometer. Das wird je nach Ausbaustandard 40 bis 50 Milliarden Euro kosten.

Die neuen Stromleitungen sollen 50 Milliarden Euro kosten. Im Ernst?

Es gibt unterschiedliche Prognosen. Aber das wird in den nächsten Jahren so viel kosten - mit Erdverkabelung noch mehr.

Wann ist der Atomausstieg möglich?

Ich kann Ihnen am 15. April nicht sagen, was wir Mitte Juni beschließen werden.

Der Chef des Bundesumweltamtes sagt: Es ist möglich bis 2017 auszusteigen. Und der Strompreis wird durch die Energiewende kaum steigen.

Das ist unseriös. Es gibt beim Strompreis so viele Stellschrauben, dass niemand sagen kann, wo der Strompreis 2017 liegen wird.

Glauben Sie, dass die Pro-Atom-Fraktion in der Union gegen Röttgen noch eine Chance hat?

Wenn wir aus politischen Gründen schneller auf Atomkraft verzichten, wird der Umbau schwieriger. Es geht, aber es hat seinen Preis.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • E
    Eddy

    50 Milliarden, was soll's. Allein 2009 hatten die großen Vier (EON, RWE, Vattenfall, ENBW) 23 Milliarden Gewinn. Machen sie halt mal drei Jahre keinen Gewinn und Deutschland hat ein super Stromnetz. (Quelle: Tagesschau.de vom 20.10.2010)

  • M
    Macuser

    ...ich habe den Eindruck Lady M. verläßt langsam der "Mut" und man versucht mit der ewigen Strompreisdiskussion sich eine Hintertür offenzulassen...

    Die Kosten sind doch noch garnicht genau zu beziffern und schon wird wieder gegackert... aber es ist ja halt bald Ostern.

    Es gibt keine Alternative zum schnellstmöglichen Ausstieg - der Bürger ist bestimmt gern bereit ein wenig mehr dafür zu zahlen, aber nicht mehr einen Cent für Crashbanken und die Rettungsschirme...es reicht !

  • P
    PeterundPaul

    Alles Lüge!

     

    Welche und wieviel "Zuwendungen" bekommt der Mann von der Atomlobby?

     

    Was uns in Deutschland und Europa fehlt ist eine Anti-Korruptionbehörde! Dann wären solche Leute ganz schnell weg.

     

    Das gilt nicht nur in Bezug auf Atomenergie sondern auf alle öffentlichen Bereiche.

     

    Die Korruptionsbekämpfung muß unser aller erstes Ziel sein. Dann erledigen sich viele "Kriegsschauplätze" von alleine.

  • BL
    Bürger Lars (aus Stuttgart)

    Joachim Pfeiffer in der taz? Warum geben Sie diesem aalglatten CDU Politiker diese Bühne? Joachim Pfeiffer hat vor Jahren zu Recht von BadenWürttembergs Staatsminister Palmer öffentlich seine Ohrfeige erhalten. Palmer ist zwar daraufhin zurückgetreten, aber das war die Ohrfeige allemal wert.

    Joachim Pfeiffer? Mit diesem in einen Dialog zu treten, ist ja schlicht ein Witz.

     

    Was ist mir dieser Artikel wert? Soviel, dass ich die nächsten 3 Monate von der tag Schmerzensgeld erwarte.

     

    Ein solcher Faux Pax. Pfeiffer in der taz. Entsetzte Grüße aus dem Süden.

  • JK
    Juergen K

    10 mal S21 also

    2,5 Jahre mal 40 Mio Haushalte a 500 Euro Strom pro Jahr

     

    Da wäre es wohl besser,

    die Privaten Haushalte stellen sich zusammen und bilden einen Fond;

     

    der nach 2,5 Jahren nicht für die restliche Abschreibungszeit von vielleicht 30 Jahren

     

    IRRSINNIGE ungerechtfertigte Dividenden in die Banken

    verpresst.

  • K
    Krtek

    Joachim Pfeiffer meint: "...eine sichere, saubere, preiswerte Energieversorgung zu garantieren...".

     

    Da würde mich insbesondere bei dem Wörtchen "garantieren" interessieren, wer da mit welchen Garantien aufwarten kann. An wen hat den da der Herr Pfeiffer gedacht? Sichere und saubere Endlager? Preiswerte Subventionen?

  • L
    luetzgendorff

    Strom ist noch viel zu billig. Ich zahle gern 5€ für die Kilowattstunde, Hauptsache 100% Öko!

  • S
    spiritofbee

    Liebe TAZ ler, so gerne ich ein Freund ausgewogener Berichterstattung bin, solch gestandenen oportunen Burschenschaftlern solltet ihr keine Plattform bieten. Sie richten schon genug Unfug auf den Universitäten an, wo sie unter Umständen die Meinung der nächsten Generation prägen.

    Dezentral ist die Zukunft!!

  • F
    Feuermann

    Dieser sogenannte Energieexperte ist in die Fußtapfen des CDU-Atomhardliners Paul Laufs getreten (er übernahm dessen Wahlkreis bei Stuttgart) und hat sich noch nie aus der Strahlung der Atomkraft herausbewegt.

    Dazu unterstützt er massiv den Bau eines autobahnähnlichen "Nordostrings" um Stuttgart gegen den Willen der betroffenen Anwohnergemeinden. Ähnlich wie Mappus (= weg) versteht er unter Demokratie das Kreuzchen bei der cdu am Wahlsonntag. Seine Panikmache ist genauso zu sehen wie die von ihm gewählten 60 Jahre AKW-Laufzeit.

  • S
    serratus

    Die Leitungen sind marode, weil sie seit Jahrzehnten nicht erneuert wurden und unmodern, weil sie auf große Kraftwerke, nah bei industriellen Verbrauchern ausgelegt sind. dies haben die Netzbetreiber (= die großen vier EVU's) versäumt, also müssten sie vor ihrer Enteignung dafür noch löhnen.

  • DI
    Dipl. Ing El. Energietechnik Roger Haußmann

    Energiegehalt von Luft bei 1 m/sek = 1,3 Watt

    Energiegehalt von Wasser bei 1 m/sek = 500 Watt (zB :Rhein bei Mainz)

    Deutsche Energietechnik-Ing. sagt : nie wieder Luft-Energie, sondern Wasser-Energie, zB 90.000 km³ / anno in Gibraltar, Stait of Hormuz, Golfstrom usw.

    so long Roger Haußmann

  • JK
    Juergen K

    Wenn der Chef des Bundesamtes jetzt dementiert, dass er unseriös ist:

     

    Wer muss dann gehn?

  • A
    ande

    Ganz schön billig, wenn man bedenkt was Tschernobyl gekostet hat. Aber mal im Ernst: Die sinnvolle Verteilung der regenerativen, die ja gerade in der Dezentralität ihre Stärke besitzen macht solch hohe Investitionen überflüssig.

     

    Is halt Lobby

    ande

  • E
    emil

    immer diese kostendiskussion.

    mein ökostrom ist nicht mit der atomlobby verbandelt und einen zacken günstiger als der betreiber vor ort, obgleich dieser über die hälfte aus atomkraftwerken bezieht.

     

    was mache ich eigentlich falsch, wo ist er der strom der nichts kostet und doch die gehälter der vier co2sparatombetreiberlis in die höhe treibt?!

  • EL
    Ernst Ludwig Becker

    Kernkraft ist ein Mittel zu dem Zweck, eine sichere, saubere, preiswerte Energieversorgung zu garantieren und den Weg zu den Erneuerbaren zu sichern.

    Fangen wir mal von hinten an Herr Pfeiffer: Ohne Kernkraft hätten wir schon längst die Erneuerbaren. So ca. 200 Milliarden wurden laut Greenpeace in die Forschung und Entwicklung der Kernkraft investiert. Sie behindert nur die Entwicklung der Erneuerbaren, was sich hoffentlich jetzt ändert und da werden die dumm gucken, die noch auf AKWs setzen. Uran gibst auch nur begrenzt.

    Wenn man die Investitionskosten und Subventionen und Kosten für Endlagerung die der Steuerzahler zahlt, hinzuzieht und an die erkrankten und verstorbenen Kinder und Menschen um Tschernobyl und Co. denkt, ist das unsere teuerste Energieform überhaupt.

    Sauber der Uranabbau in Australien und die Lager in Asse II?

    Sicher? Wie viel Menschen starben bisher durch Unfälle an Rotorblätter der Windanlagen im Vergleich zu den der AKWs. Ich bin zwar kein Energieexperte, aber ich denke ich könnte die Union besser beraten.

  • A
    alekto

    Sicher, sauber, preiswert? Bei allem Respekt, aber ist dieser Mann noch zurechnungsfähig?

     

    Abgesehen davon, daß beispielsweise in Japan momentan gar nix sicher, sauber und presiwert ist (und die Leute von Tchernobyl hätten da auch noch was zu sagen...): seit es Atomkraft gibt, gibt es Fehler und Lecks, radioaktiver Müll, der immer wieder mal in die Umwelt gelangt.

    Der Abbau von Uran ist gleichfalls alles andere als umweltfreundlich und gesundheitsfördernd (teuer auch noch), Endlagerung ist genausowenig sicher, sauber und schon gar nicht preiswert.

    Rechnet man den CO2-Ausstoß von nicht nur eines fertig gebauten und betriebenen Atomkraftwerks nicht nur alleine (denn von alleine läuft dat Dingens ja nicht), sondern den Uranabbau etc. dazu, ist der CO2-Ausstoß am höchsten mit allen vergleichbaren Energiegewinnungsformen. Sauber??? Schlichtweg eine Lüge, die noch viel zu viele glauben.

    Sicher? Klar, falls wir ein Star Trek-mäßiges Verteidigungsschild haben, kann auch kein Terrorist reinfliegen. Falls wir mit Magie Erdbeben, technische und menschliche Fehler unmöglich machen...

    Preiswert? Hallo, Endlagerung, hallo Castor, hallo gesundheitsschäden!

    sorry für den tonfall, aber irgendwann erträgt man es einfach nicht mehr, von sogenannten experten schlichtweg angelogen zu werden.

  • V
    vic

    Ich kann nicht glauben, was ich sehe.

    Was hat dieser "Energie-Experte" und Atom-Lobbyist in der taz zu suchen?

    Was ich den guten Kommentaren von Libertiner und mein name noch hinzufügen möchte:

    Selbst wenn dwer Umstieg kurzfristig etwas teurer wird, mittel- und langfristig ist regenerative Energieversorgung günstiger möglich. Vorausgesetzt, den Großkonzernen bleibt der Zugriff verwehrt, auf die Technologie die sie jahrzehntelang bekämpft haben.

    Nebenbei; die Umstellung unserer geliebten Automobile von Verbrennungsmotoren auf umweltfreundliche Antriebe wird ganz sicher teuer.

    Ich bin überzeugt, da gibt`s kein so großes Theater. Fahren wollen schließlich alle.

     

    Und der Umstieg wird kommen, ob wir wollen oder nicht.

  • L
    Libertiner

    Mal nachgefragt: was kostet es jetzt Japan, das voll auf Atomkraft gesetzt hat? Aber hier wird ja schon nichts passieren!? Die Hauptsache ist doch, das für die AKW Betreiber der Rubel rollt. Diese Leute brauchen bei einem Super-Gau ja nicht "in der Wüste zu leben", die haben ja vorgesorgt. Und sind die Strompeise trotz AKWs nicht ständig gestiegen?- oder war das nur ungerechtfertigte Abzocke? Sind die Menschen für mehr Brennstäbe abgezockt worden, oder für alternative Energien? Wo sind den diese Energien? Man wollte, zum besseren Absahnen mehr AKWs bauen, dass ist des Pudels Kern. "Satte 1%" hat Baden-Württemberg an alternativen Energien. Sollte uns das nicht zu denken geben?

  • MN
    mein name

    wenn ich die wahrheit wissen möchte, dann frage ich nicht die gekauften lügner von der cdu... wieviele milliarden kostet uns alle der müll der achsotollen kernenergie? wieviele milliarden wirds auch weiterhin noch kosten, egal ob jetzt abgeschaltet wird oder nicht?

    small is beautiful, kein schwanz braucht hier den strom von offshoreparks in der nordsee, wir könnten stattdessen einfach die kleinkraftwerke wieder aktivieren, die unsere grosskonzerne und schwarzgeldpolitiker geschlossen haben, und den produzierbaren strom aus erneuerbaren anlagen lokal verwenden, den dieselben korrupten lügner einfach nicht ins netz einspeisen lassen.

    die fetten leitungen und großkraftwerke liegen nur im interesse der 4 energieriesen, ebenso wie das völlig unnötige, sauteure und halbdurchdachte "smartgrid" mit den tollen "intelligenten" stromzählern, die uns dieselben verbrecher demnächst aufs auge drücken wollen.

     

    liebe taz, wieso bietet ihr diesen schwachmaten eine plattform? is schon sommerloch, oder was?