Atomausstieg: Schneller abschalten mit Gabriel
Der Umweltminister will die sieben ältesten Atommeiler früher als geplant abzuschalten. Davon will der Koalitionspartner jedoch nichts wissen. Derweil häufen sich die Pannen im Akw Krümmel.
Die Bundesregierung hat einen neuen Streit über die Atomkraft. "Kernenergie ist in Deutschland unersetzlich", erklärte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla am Sonntag in Berlin. Laufzeiten zu verkürzen - "der rechtliche Rahmen lässt dies nicht zu", so Pofalla auf einer Feier zum 60. Geburtstag der Jungen Union.
Den Grund für eine solche Aussage lieferte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Der hatte in der Süddeutschen Zeitung gesagt, eine frühere Abschaltung der AKWs bringe "einen hohen sicherheitstechnischen Gewinn". Demnach will der Bundesumweltminister die sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke früher vom Netz nehmen - und ihre vom Atomkonsens zugebilligten Reststrommengen auf jüngere Reaktoren übertragen.
Betroffen wären von Gabriels Vorschlag die hessischen Reaktoren Biblis A und B, Brunsbüttel in Schleswig-Holstein, Neckarwestheim 1 und Philippsburg 1 in Baden-Württemberg sowie Unterweser in Niedersachsen und das bayerische Kraftwerk Isar 1. Im Gegenzug könnten modernere Atomreaktoren wie Isar 2 oder Neckarwestheim 2 länger als bisher geplant laufen. Groß sei diese Verschiebung nicht, so Gabriels Berechnung: Lediglich 5 Prozent der atomaren Reststrommenge würden verschoben. "Damit ließe sich aber das nukleare Gesamtrisiko erheblich senken."
Vorangegangen war eine Woche, in der fast kein Tag ohne neue sicherheitsrelevante Funde im AKW Krümmel vergangen war. Nach dem Fund mehrerer Risse in Absaugeleitungen hatte die Atomaufsicht, das Kieler Sozialministerium, eine Erweiterung des Prüfumfanges gefordert. Mit gutem Grund, wie sich zeigte: Auch in der Armatur, die für die Steuerung dieses Rohrleitungssystems zuständig ist, wurden Risse festgestellt. Ein Sprecher des Kieler Ministeriums: "Die Ursache für die Risse muss geklärt werden. Dazu muss die defekte Stelle herausgetrennt und metallografisch untersucht werden."
Zuvor waren neue Unregelmäßigkeiten an Transformatoren entdeckt worden. Eines der knapp 80 Tonnen schweren Geräte soll am Montag zu einer näheren Untersuchung nach Dortmund transportiert werden. Bereits zu Wochenanfang war an einer Steuerleitung eines Sicherheits- und Entlastungsventils ein Riss festgestellt worden. Das Rohrstück werde ausgetauscht, erklärte der Betreiber Vattenfall Europe. Seit einem Kabelbrand im Juni ist das AKW Krümmel vom Netz, ebenso das zweite Vattenfall-AKW Brunsbüttel.
Gabriels Ungeduld lässt sich also illustrieren. Genauso wie der Dilettantismus von Profalla: Nach dem Atomausstiegsgesetz aus dem Jahr 2000 ist es sehr wohl möglich, ältere Reaktoren eher vom Netz zu nehmen und jüngere länger laufen zu lassen. Die AKW-Betreiber beantragten jedoch das Gegenteil: Sie wollen Strommengen von jüngeren Reaktoren auf ältere übertragen. Das allerdings ist vom Gesetz nicht gedeckt. Pofalla meinte dennoch im ZDF, "es geht nicht um alt oder neu, sondern es geht um sicher. Es gibt überhaupt gar keine Erkenntnisse darüber, dass unsere sichere Kernenergie dazu führt, dass sie abgeschaltet werden müsste."
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