Atomausstieg: Vattenfall will Brunsbüttel stilllegen
Energiekonzern beantragt Rückbaugenehmigung für AKW - und hält am möglichen Weiterbetrieb des Meilers Krümmel fest. Die Kieler Landesregierung will den Betreibern per Bundesrat Fristen setzen.
Vattenfall hat beim Kieler Energiewendeministerium die Stilllegung des abgeschalteten Atomkraftwerks Brunsbüttel beantragt. Der Energiekonzern warnt allerdings: Sollte nicht rechtzeitig ein Endlager für die dabei anfallenden schwach und mittel radioaktiven Abfälle bereitstehen, werde er die Stilllegung stoppen. „Wir behalten uns vor, diesen Antrag zurückzuziehen bzw. eine erteilte Genehmigung nicht auszunutzen“, heißt es in dem Schreiben an das Ministerium. Für das ebenfalls abgeschaltete AKW Krümmel will Vattenfall die Stilllegung nicht beantragen. „Krümmel ist ein Sonderfall“, sagt Firmensprecherin Sandra Kühberger.
Die beiden Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel werden von Vattenfall betrieben, Miteigentümerin ist jeweils der Energiekonzern Eon. Beide AKWs sind wegen diverser Pannen seit dem 5. August 2007 außer Betrieb. Nach dem Atomausstiegsbeschluss der schwarz-gelben Koalition vom Sommer 2011 gehören sie zu den insgesamt acht Kraftwerken, die sofort stillgelegt werden sollen. Weil Vattenfall keine Anstalten machte, diesen Bundestagsbeschluss umzusetzen, entschied sich die Kieler Landesregierung aus SPD, Grünen und SSW, Druck zu machen: Am heutigen Freitag wollen Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg im Bundesrat beantragen, das Atomgesetz zu ändern: Es soll den Betreibern von AKWs Fristen für Stilllegungsanträge setzen – und sie so zum Handeln zwingen.
Der Kieler Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) und Energiewendeminister Robert Habeck (Grüne) begrüßten, dass mit dem Vattenfall-Antrag endlich der Abbau eines der ältesten Atomkraftwerke Deutschlands beginne. Die Gesellschaft habe sich klar gegen die Atomkraft und für die Energiewende entschieden, sagte Albig. Die Stilllegung Brunsbüttels könne nur der erste Schritt sein. „Auch für das AKW Krümmel muss zügig ein entsprechender Antrag von Vattenfall kommen“, so Habeck.
Die AKW-Eigentümer sehen das anders. „Weder Eon noch Vattenfall werden derzeit ein Stilllegungsverfahren für Krümmel einleiten“, sagt Vattenfall-Sprecherin Kühberger. Krümmel ist erst 1984 ans Netz gegangen und damit ein vergleichsweise junges AKW, dessen Laufzeit die Bundesregierung kurz vor dem Unglück von Fukushima bis 2033 verlängert hatte, im Falle Brunsbüttels bis 2020. Vattenfall hat gegen den Atomausstiegsbeschluss Verfassungsbeschwerde eingelegt, um eine faire Entschädigung zu erhalten. Außerdem hat der Konzern das Internationale Schiedsgericht für Investitionsstreitigkeiten bei der Weltbank angerufen.
Vattenfall rechnet damit, dass das Genehmigungsverfahren für die Stilllegung vier Jahre dauern dürfte. In dieser Zeit könnten bereits die stark radioaktiven Brennelemente aus der Anlage geholt werden. Genügend Castor-Behälter stünden zur Verfügung. 2017 könnte dann der Abriss beginnen.
Voraussetzung dafür sei allerdings, dass das einzige bisher genehmigte Endlager für radioaktiven Abfall betriebsbereit sei: der Schacht Konrad bei Braunschweig. „Sollte sich abzeichnen, dass das Endlager Konrad entgegen der derzeitigen Annahmen erst deutlich nach 2018 tatsächlich zur Verfügung stehen sollte, so würde eine grundlegende Prämisse unserer Entscheidung in Frage gestellt werden“, schrieb Vattenfall an das Ministerium.
„Dieser Zusammenhang ist nicht nachvollziehbar“, kommentierte das Bundesamt für Strahlenschutz. Bis der Schacht Konrad für den radioaktiven Schutt und Schrott benötigt werde, gingen viele Jahre ins Land.
Schacht Konrad soll plangemäß 2019 betriebsbereit sein. Das ehemalige Erzbergwerk ist jedoch als Endlager nach wie vor umstritten und Teil der offenen Endlager-Debatte. Umweltschützer bezweifeln die Eignung des Stollens. Der Umweltverband BUND forderte unlängst, es dürfe überhaupt nur ein Endlager für sämtlichen Atommüll geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“