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Atomausstieg in DeutschlandStudie unterschätzt Rückbaukosten

Eine Studie beziffert die Abrisskosten für alle Atomkraftwerke auf rund 18 Milliarden Euro. In Wirklichkeit wird aber für den Rückbau sehr viel mehr Geld benötigt werden.

Der Rückbau wurde viel teurer als erwartet: Zwei Männer bereiten die Dekontamination von Betonsegmenten im ehemaligen AKW Würgassen vor. Bild: dpa

GÖTTINGEN taz | Arthur D. Little (ADL) ist die älteste Unternehmensberatung der Welt. Ihre Glanzzeiten hat die britische Firma allerdings hinter sich. Mit ihrer neuen Studie zu den Abrisskosten für die deutschen Atomkraftwerke dürfte sich ADL erneut kräftig verkalkuliert haben.

Mindestens 18 Milliarden Euro müssten die Stromkonzerne demnach für den Rückbau und die Entsorgung der 17 kommerziellen AKWs aufbringen. Der Rückbau eines einzelnen Meilers liege zwischen 670 Millionen und 1,2 Milliarden Euro, zitiert das Handelsblatt die Studie.

RWE, Vattenfall, Eon und EnBW machen zwar keine Angaben zu den erwarteten Abrisskosten. Die schon laufenden Projekte legen aber den Schluss nahe, dass die Rückbauten die Konzerne sehr viel teurer zu stehen kommen. Beispiel Würgassen: Der mit 630 Megawatt vergleichsweise kleine Siedewasserreaktor an der Weser war das erste vollständig kommerziell genutzte AKW in der Bundesrepublik. Er lief von 1971 bis 1994. Drei Jahre später begann der Abriss. Spätestens 2014 soll das Kraftwerksgelände wieder eine grüne Wiese sein. Die Kosten für den Abbau der Kühltürme, des Reaktordruckbehälters, des Lagerbeckens und der verstrahlten Komponenten des Kraftwerks stiegen immer mehr an. Inzwischen werden sie auf mindestens eine Milliarde Euro geschätzt. Das wäre ein Fünffaches der Baukosten.

Rechnet man diese Schätzungen hoch auf sämtliche 17 Meiler in Deutschland, kostet der Rückbau nicht 18, sondern mindestens 50 Milliarden Euro. Die Entsorgung des radioaktiven Mülls würde noch einmal mit 18 Milliarden zu Buche schlagen.

Für Abriss und Entsorgung haben die AKW-Betreiber Rücklagen bilden müssen, diese Verpflichtung aber komplett zu ihrem Vorteil gestaltet. So mindern die Rückstellungen in der Ansparphase den zu versteuernden Gewinn - versteuert werden sie erst später, wenn sie für Rückbaumaßnahmen ausgegeben werden und sofern das Unternehmen dann noch Gewinne macht. Bis dahin können die Konzerne mit diesem Geld anstellen, was sie wollen. Es genügt, wenn sie in der Bilanz vorkommen. Der Gewinn der Atomkonzerne aufgrund dieser Regelung liegt laut Greenpeace bei mehr als einer Milliarde Euro jährlich.

Bislang haben die AKW-Betreiber Rückstellungen in Höhe von rund 30 Milliarden Euro gebildet. In Anbetracht der zu erwartenden Kosten erscheint das viel zu wenig.

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4 Kommentare

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  • Rückbau bedeutet immer eine Verteilung der radioaktiven Hinterlassenschaften auf größere Flächen und damit auf größere Teile der Menschheit. Denn die Radioaktivität lässt sich nicht verringern, das wäre erst in Zukunft mit sichereren schnellen Brütern möglich, die nur für ca 300 Jahre, während dieser Zeit etwas mehr radioaktiveStrahlung freisetzen werden. Die gibt es aber noch nicht.



    Ich misstraue allen Endlagerplänen in dicht besiedelten Gebieten, die dann über die ganze Erde verteilt sein werden.



    Mit keinem Geld der Welt kann man die radioaktiven Inventare einfach verschwinden lassen. Wir können nur die hoch radioaktiven Teile, sprich, die abgebrannten Brennelemente, konzentriert in sicherere Regionen unsere Erde verfrachten und den nur gering radioaktiven Rest in den Gebäuden und Maschinen an Ort und Stelle belassen, so lange es geht, sprich, für Jahrhunderte. Dann markieren die zurückbleibenden Atomeier wenigstens unübersehbar, wo noch Gefahren lagern. In den bisher verwandten Aufarbeitungsverfahren mit ihrer großflächigen Verteilung der Spaltprodukte sehe ich nur ein unerträgliches Ärgernis. Geeignet, den Planeten unbewohnbar zu machen. So lange atomare Gewinne eingefahren werden, wird der alte Schlendrian einfach weiter betrieben.

  • NR
    Nuklear Realist

    Die in der Studie genannten Zahlen nennen Kosten für Nachbetrieb, Rückbau und konventionellen Abriss. Endlagerkosten sind nicht enthalten. Somit ist das sehr realistisch.

     

    Woher der Autor des taz-Artikels seine Zahlen nimmt ist nicht klar. Es stellt sich die Frage, ob hier mit dem Arikel in der taz Negative Stimmung gemacht werden soll. Eine sachliche Diskussion des Thema wäre wünschenswert.

     

    Schade ist auch, dass der Autor polemisch ein etabliertes Unternehmen schlecht redet. Schade für eine gute Zeitung wie die taz.

  • I
    Idiot

    Mir ist schleierhaft wie der Autor behaupten kann das der (gesamt)Rückbau 50Mrd. kosten soll, wenn es 17 Kernkraftwerke gibt und der Abbau eines alten ca. 1Mrd. gekostet hat. Einfach die jeweiligen Baukosten mal 5 nehmen und dann so tun als ob dieses das richtige Verhältnis zwischen den Auf- und Abbau zum jetzigen Zeitpunkt widerspiegelt ist mal ziemlich unsauber gerechnet. Den Preis für den Abbau wird (1997-jetzt) bezahlt, der Bau war 1971. Klar wird es inflations-bedingt für die späteren Werke teurer, aber man muss diese Kalkulation ja auch zu dem jetzigen Zeitpunkt machen und nicht suggestiv die Zahlen hochschrauben.

    Naja den genauen Preis (für den Abbau) und in welcher Währung werden wir dann ja am Ende sehen. Auf jeden Fall die 30Mrd. welche laut Artikel jetzt schon vorhanden sind nicht verprassen und gut aufbewahren, ansonsten bleibt die Allgemeinheit auch noch auf den Rückbau sitzen.

     

    Nen guten Abbau!

  • KF
    Öko Fritz

    Gerade bei Grundversorgungsthemen wie Wasser, Energie, Gesundheit, Mobilität (Bahn!!!), Müllentsorgung, etc. sollten KEINE Privatisierungen erfolgen.

     

    Inbesonder beim Thema "Atom" sollte die Allgemeinheit alle macht bekommen.

    Das bedeutet, die Betreiber sollten die Gelder oder entsprechende Bürgschaften dem "Volke" (Staat) zur Verfügung stellen. Sonst kann es sein, daß bei zahlungsaufforferung plötzlich RWE und Co einfach mal einen Geschäftsbereich mit den entsprechenden Beteiligungen "über die Wupper" gehen lassen... und wir alle haben das Nachsehen!