Athleten verteidigen Ex-DDR-Dopingtrainer: Täter wird Opfer
In einem geschichtsklitternden Brief springen diverse Athleten DDR-Dopingtrainer Werner Goldmann bei. Sie bezweifeln, dass Opfern körperlicher Schaden enstanden ist.
BERLIN taz Sie wollen ihren Trainer zurück. Werfer und Werferinnen, die Aushängeschilder der deutschen Leichtathletik, wollen sich nicht mit der Kündigung ihres Trainers Werner Goldmann abfinden. Der war zu Jahresende als Bundestrainer für die Wurfdisziplinen entlassen worden. Seine Verwicklung in das DDR-Dopingsystem ist ihm zum Verhängnis geworden. Jetzt hat eine Gruppe von 20 Athletinnen und Athleten einen offenen Brief verfasst. Adressat: Der Deutsche Leichtathletik-Verband DLV, der Deutsche Olympische Sportbund DOSB und das Bundesinnenministerium, der größte öffentliche Sportförderer. Die Forderung: Rücknahme der Kündigung. O-Ton: "Die Gründe der Anschuldigungen sind 25 Jahre her. Mörder sind nach solchen Zeiten amnestiert, entlassen oder rehabilitiert, aber im Fall Goldmann gibt es keine Frist." Ein merkwürdiges Pamphlet, das die Sportler verschickt haben.
Zu den 20 Verfassern gehören etliche der wenigen verbliebenen Medaillensammler der deutschen Leichtathletik. Diskusweltmeisterin Franka Dietzsch, der Diskusvizeweltmeister Robert Hartung und die einzige Leichtathletin, die in Peking eine Medaille (Bronze) gewinnen konnte, Christina Obergföll. Es ist ein merkwürdig verbissener Kampf, der für einen Mann geführt wird, dem schon lange vorgeworfen wird, zu DDR-Zeiten Athleten Dopingmittel verabreicht zu haben.
In der Zentralen Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität liegt die Aussage der ehemaligen Athletin Anette Wolf vor, die über Goldmann zu Protokoll gab: "Er hat mir die Tabletten (Oral-Turinabol) in einem Glasröhrchen in die Hand gedrückt und gesagt, ich soll sie nehmen." Die ehemalige Kugelstoßerin Simone Kischnick sagte aus, ihr seien schon als Minderjähriger von Goldmann Hormone verabreicht worden. Im Sommer des vergangenen Jahres hatte der frühere Kugelstoßer Gerd Jacobs, ein anerkanntes Opfer des DDR-Dopingsystems, den Fall Goldmann wieder ins Rollen gebracht, indem er seinen ehemaligen Trainer beschuldigte, ihn mit Oral-Turinabol versorgt zu haben. Franka Dietzsch scheint nicht recht zu glauben, dass Jacobs Organerkrankung, wegen der er mit einem transplantierten Herz lebt, wirklich Dopingfolge ist. Der taz sagte sie: "Der Fall Jacobs tut mir leid, aber wer weiß denn, ob er nicht schon eine Vorschädigung gehabt hat."
Für sie ist Goldmann, mittlerweile 58, das Opfer. Er habe doch seine Strafe schon erhalten, sagte sie der taz. Ein Strafverfahren gegen den Trainer des hochgezüchteten Ex-Kugelstoß-Weltrekordlers Ulf Timmermann wurde 2000 gegen die Zahlung von 4.000 Mark eingestellt. Strafe genug für Dietzsch, die noch einmal klarmacht: "Ich sehe Goldmann in der Opferrolle." Im Brief ist von einer "Bauernopferjagd" die Rede. Dietzsch fragt sich, "mit welchem Recht es von vorne" losgehe, Goldmann habe doch bereits drei Kommissionen im Sportbund durchlaufen - ohne Folgen. Und als Goldmanns Athlet Robert Harting WM-Silber gewonnen habe, da hätte "ganz Deutschland gejubelt", sagt Goldmanns prominenteste Anwältin.
"Hatten DDR-Spitzentrainer die Chance, Nein zu sagen?", heißt es weiter im Athletenbrief, der nicht spart mit ebenso blumigen wie geschmacklosen Vergleichen. Die Kündigung gleiche einer "Amputation, einem Entzug von Lebenselixieren, als würde man einem Musiker lebenslang Instrumentenverbot erteilen, einem Künstler die Farbtöpfe versiegeln".
Vielleicht braucht Goldmann ja die Unterstützung der Spitzenathleten gar nicht. Im Berliner Leichtathletik-Verband ist man bemüht, ihn durch die Hintertür wieder einzustellen. Weil öffentliche Mittel dafür nach den Regularien des Bundesinnenministeriums nicht verwendet werden dürfen, will man sich auf Sponsorensuche begeben. Bald schon könnte Werner Goldmann wieder im Geschäft sein.
ANDREAS RÜTTENAUER, MV
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