■ Atelierschließung: Künstler sind frei
Das Malen oder Bildhauern nach der Natur steht in Berlin vor einer großen Erneuerung. Die Rolle der modernen Kunst und der Künstler erhält einen innovativen Schub. Raus aus den Ateliers! Greift in die Wirklichkeit ein, gilt zukünftig als avantgardistisch. Aufgelegter Neofluxus und Simulation, Strategien in der Baugrube, Political Correctness in und aus der Auguststraße. Performances wie „Nah am Objekt“ oder modern-naturalistischer Konzept-Art- Terror wie „Aus dem Leben gemeißelt“ haben Konjunktur.
Das Kunstideal der Zukunft ist schon harte Realität, kürzte doch jetzt die Kulturverwaltung eine halbe Million Mark, mit der Ateliers für bildende Künstler angemietet werden sollten. Zu den rund 250 Atelierschließungen in Berlin 1993 kommen nun weitere unmittelbar hinzu. Ausgehandelte Verträge können nicht abgeschlossen werden. Die Hoffnungen auf eine Erweiterung des Atelierprogramms sind geplatzt, neue Investitionen unmöglich gemacht worden. Die „freien“ Künstler haben es doppelt schwer, angesichts der steigenden Mieten, günstige Arbeitsräume zu finden. Nun ja, dann künstlern sie eben draußen, wird sich die Finanz- und Kulturverwaltung gedacht haben. Wer gut ist, setzt sich durch. Kunst ist Markt.
Doch irgendwann ist Schluß mit der kapitalistischen Verwirtschafterei und der Aushöhlung sozialer Künstlerförderung. Es gibt Dinge, die lassen sich eben nicht rechnen, die gehorchen nicht den Gesetzen der Rentabilität. Dazu gehört, daß die Infrastrukturen für die moderne Kunst und ihre Macher bewahrt werden. Ihre Stellung in der Szene zählt zu den risikoreichsten und fragilsten. Längst schon hätte das soziale Bauprogramm auch Ateliers Raum geben müssen. Fragen wir nur, was Kunst kostet, können wir sie vergessen. Rolf Lautenschläger
Siehe auch Seite 22
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