■ Nachgefragt: Asylkompromiß beschissen
Daniel Cohn-Bendit, Dezernent für Multikulturelle Angelegenheiten in Frankfurt, ist heute abend im Konsul-Hackfeld-Haus Gast von Helga Trüpel. In seinem Amt streitet Cohn-Bendit seit Jahren für ein Einwanderungsgesetz. Für eine geregelte Einwanderung hätte er auch eine Ergänzung des Artikels 16 inkauf genommen.
taz: Heute abend wird es sicherlich um den sogenannten Asylkompromiß gehen. Was halten Sie von dem, was zwischen Bundesregierung und SPD ausgehandelt worden ist?
Daniel Cohn-Bendit: Dieser Kompromiß ist beschissen. In der Asylfrage ist er nicht schlüssig. Im Grunde ist das nur ein Abschottungsbeschluß. Das ist keine Ergänzung zum Asylrecht, über die man hätte reden können, die Bundesrepublik wird zugemacht. Die haben nicht verstanden, was in der Bundesrepublik auf dem Spiel steht. Das ist der soziale Frieden und: Wie kann man durch ein politisches Angebot die hier lebenden Migranten als bürgerliche Subjekte in diese Gesellschaft integrieren?
Was halten Sie vor diesem Hintergrund von dem Parteiratsbeschluß der SPD?
Ich hab nur verstanden, daß die mit Polen verhandeln wollen. Die anderen Sachen haben sie überhaupt nicht angesprochen. Die Sache mit Polen ist völlig zweitrangig. Man kann nicht ein Asylrecht für die Bundesrepublik definieren, indem man in Polen verhandelt. Das ist eine völlig absurde Geschichte. Sie sagen, daß man das Einwanderungsgesetz im Zuge der europäischen Diskussion weiterführen muß. Das hätte man natürlich zum Asyl auch machen können. Damit hätte sich aber niemand zufriedengegeben. Was ich nicht verstehe: Wenn man schon diskutiert, dann hätte man die drei Säulen Asyl, Einwanderung und Staatsbürgerschaft gleichberechtigt in diesem Kompromiß ansprechen müssen. Deswegen verstehe ich nicht, was die SPD da macht, außer sie hat einen rein ethnischen Zuwanderungsbegriff. Das ist doch einfach pervers.
Wie sähe eine Zuwanderungspolitik unter dem Bundesminister für Multikulturelle Angelegenheiten, Daniel Cohn-Bendit, aus?
Das erzähle ich euch, wenn ich in Bremen bin.
Fragen: J.G. / Foto: Christian Schulz/Paparazzi
„Land der vielen Kulturen?“ Helga Trüpel & Daniel Cohn-Bendit, Diskussion mit Gästen, Konsul-Hackfeld-Haus, 20 Uhr
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