: Asyl für Yeziden
■ Oberverwaltungsgericht gesteht Gruppenverfolgung zu
Yezidische Kurden genießen in Bremen Asyl. Das Bremische Oberverwaltungsgericht hat gestern entschieden, daß bei Angehörigen dieser Glaubensgmeinschaft eine „Gruppenverfolgung“ vorliegt. Damit wird gläubigen Yeziden unabhängig von ihrem Einzelschicksal in Bremen künftig Asyl zugestanden. Das OVG bestätigte damit eine Entscheidung des Bremer Verwaltungsgerichts und verwarf die Berufung des Bundesbeauftragten für das Asylverfahren.
Stellvertretend für die etwa 1000-köpfige yezidische Gemeinde Bremens wurde der Asylantrag des Ehepaars Bal verhandelt. Die Yeziden sind Kurden, die im Südosten der Türkei leben. Seit Jahrhunderten werden Yeziden von der islamischen Umwelt im Dreiländereck Irak/Türkei/Syrien als „Teufelsanbeter“ diskriminiert und verfolgt. In der Türkei, so Hans- Eberhard Schultz, der Anwalt der Bals, werden die Yeziden heute doppelt verfolgt: als Kurden und als Angehörige einer anderen Religion.
Der Vorsitzende Richter Müller legte bei der Verhandlung Wert auf Details der yezidischen Religionsausübung. Seine Befragung der Klägerin erwies sich nicht nur wegen der Sprachbarriere als schwierig: Einerseits, so Anwalt Schultz, gelte es unter Kurden als unhöflich, eine Frau direkt anzusprechen und auszufragen, was die etwa 30 Angehörigen und Freunde der Kläger denn auch unruhig machte. Andererseits verbietet ihre Religion den Yeziden, über ihre Religion offen Auskunft zu geben. Schließlich ließen sich Richter und Beisitzer davon überzeugen, daß Familie Bal gläubige und praktizierende Yeziden sind.
Geflohen aus der Türkei waren die Bals 1985, als nach willkürlichen Bestrafungen der Großgrundbesitzer der Mann zum türkischen Militär eingezogen werden sollte. Das Gericht verwarf denn auch die Möglichkeit einer „inländischen Fluchtalternative“ für die Bals, da sie auch in der Westtürkei nicht vor religiös motivierter Verfolgung sicher seien.
Für die yezidische Gemeinde Bremens bedeutet das Präzedenzurteil das Ende einer langen Rechtsunsicherheit. Trotz regelmäßiger Anerkennung durch das Verwaltungsgericht hatte das Oberverwaltungsgericht vor einigen Jahren keine gruppenverfolgung für Yeziden festgestellt. Nun schloß es sich der Meinung vieler anderer Oberverwaltungsgerichte an.
Bereits zum Jahresende könnten die Yeziden in Bremen ihre Anerkennung als Asylberechtigte feiern: der Bundesbeauftragte für das Asylverfahren hat bereits dem Gericht und dem Anwalt der Bals gegenüber erklärt, im Falle einer Ablehung seiner Berufung alle weiteren Anträge in Bremen zurückzuziehen. Auf Nachfrage der taz war der Bundesbeauftragte allerdings nicht bereit, sich zu dem Thema zu äußern. bpo
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