■ Astrophysiker Frank Toussaint von der Hamburger Uni:: „Der größte Brocken kommt noch“
taz: Seit Tagen schauen die Astronomen weltweit wie gebannt zum Jupiter. In der Nacht explodierte das achte Trümmerstück des Kometen Shoemaker-Levy 9 in der Jupiter-Gashülle.
Frank Toussaint: Überraschend für uns war, daß man die Löcher, die die Trümmerstücke in die Jupiterwolken reißen, von der Erde aus sehen kann. Diese Bereiche, die sich als dunkle Flecken abzeichnen, haben eine relativ lange Lebensdauer. Als wir gestern abend mit der Beobachtung anfingen, sahen wir an der Jupiteroberfläche zunächst einen schwarzen Fleck in der Wolkenstruktur, der von dem Einschlag von Montag morgen stammte. Das Loch konnten wir abends noch sehr deutlich sehen. Mit einem guten Fernglas können selbst Hobby-Astronomen noch etwas sehen. Ein Vergrößerungsfaktor von 50 reicht da schon aus.
Das größte Trümmerstück mit einem Durchmesser von etwa vier Kilometern ist noch oben. Müssen wir uns noch auf Überraschungen einstellen?
Das geht jetzt wahrscheinlich so weiter wie bisher. Der größte Brocken kommt zwar noch, aber er ist nicht so viel größer, daß man prinzipiell etwas anderes erwarten würde.
Bei den ersten Einschlägen sind organische Substanzen festgestellt worden?
Das ist richtig, allerdings kommen organische Substanzen im Weltall häufiger vor, als gemeinhin bekannt ist. Und da die Elemente auf dem Jupiter wie Stickstoff und Kohlenstoff so etwas im Prinzip ermöglichen, ist das für uns keine Überraschung.
Also kein Hinweis auf Leben oder biologische Systeme?
Das sicherlich nicht. Nur ein weiterer Hinweis darauf, daß sich organische Moleküle unter relativ allgemeinen Bedingungen relativ leicht bilden können.
Nach den grünen Marsmenschen sind also jetzt keine Jupiterwesen zu erwarten?
Nein, und Fred vom Jupiter wird das auch nicht geschadet haben.
Im Vorfeld sind Spekulationen angestellt worden, daß das Feuerwerk auf Jupiter auch Auswirkungen auf das Leben auf der Erde haben könnte.
Da ist überhaupt nichts zu erwarten. Keine Flutkatastrophen oder etwas anderes dieser Art. Allenfalls jemand, der sich mit dem Schiff auf der Jupiteroberfläche bewegt, hätte Probleme, aber auf der Erde passiert nichts.
Ist die Erde von anderen Weltraumtrümmern bedroht?
Theoretisch kann das auf der Erde jederzeit passieren, aber es ist sehr viel unwahrscheinlicher als auf Jupiter, weil die Erde sehr viel kleiner und viel schwerer zu treffen ist. Außerdem sind die Spekulationen über solche Einschläge auf der Erde zum Teil unseriös. Zum Beispiel war im Spiegel zu lesen, die Wahrscheinlichkeit wäre 1:20.000, daß man in einem 65jährigen Leben von einem kosmischen Trümmerstück erschlagen würde. Die Wahrscheinlichkeit wäre damit genau so groß, wie bei einem Flugzeugunglück umzukommen oder bei einem Erdbeben zu sterben. Man kann sich leicht überlegen, daß das Unfug ist: Jedes Jahr kommen einige Leute durch Flugzeugabstürze ums Leben. Aber wo sind die vom Meteoriten Erschlagenen?
In den USA ist eine „Raumwacht“ eingerichtet worden, die 185 kosmische Objekte ausgemacht haben will, die als potentielle Eindringlinge für die Erde eingestuft werden. Woher stammen diese Trümmer?
Man muß da unterscheiden. Es gibt Trümmer, die Überreste von Raketen sind – also beispielweise abgesprengte Raketenstufen, die im Laufe der Jahre oder Jahrzehnte wieder herunterkommen. Andererseits gibt es natürliche Objekte, dazu gehören Kometen oder Gesteinsbrocken, die im Sonnensystem umherfliegen. Die können auch auf die Erde stürzen.
Von der NASA kommt der Vorschlag, ein Abwehrsystem für einen solchen Fall aufzubauen.
Allein die Tatsache, daß sich die Astronomen, die die Trümmer suchen sollen, und die Militärs, die diese Dinger abschießen sollen, sich um das Geld stritten, kaum daß das Projekt vor wenigen Monaten bewilligt war, zeigt doch, daß Geld keine ganz untergeordnete Rolle spielt. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß wir einen solchen Brocken, der auf die Erde stürzt, rechtzeitig entdecken und auch rechtzeitig abschießen können, wenn wir uns auf ein solches Ereignis vorbereiten. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist jedoch recht gering. Ob man nun das Geld dafür ausgeben will, muß man entscheiden. Als Astronom finde ich es natürlich sinnvoll, wenn das gemacht wird. Interview: Wolfgang Löhr
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