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■ Asteroidenkampf – jetzt auch bei Prof. Dr. „Report“Technologie des Grauens

Die Stasi hat in den achtziger Jahren Asteroiden gefangen und vermutlich viele der possierlichen Himmelskörper vernichtet. Darüber berichtet jetzt das ARD- Fernsehmagazin „Report“ aus Baden-Baden. „Report“ beruft sich unter anderem auf Unterlagen aus der Berliner Gauck-Behörde. Stasi-Offiziere hatten diese Dokumente kurz vor der Auflösung des gefürchteten Geheimdienstes zu Konfetti zerlocht. Doch im bayrischen Zirndorf konnten sie von Hausfrauen, die sich bei sinnvollem Tun ein Zubrot verdienen, wieder zusammengesetzt werden. Die Papiere bieten ein erschreckendes Bild.

Danach stellten mobile Stasi- Jagdkommandos ab 1983 den ohnehin relativ seltenen Trabanten unseres Zentralgestirns nach. Ausgebildet im südossetischen Trainingscamp „Krasnaja Lampa“ benutzten die kosmischen Wilderer Asteroiden-Fallen russischer Bauart. Westliche Geheimdienstexperten hatten bereits in den siebziger Jahren vermutet, die Sowjets könnten über diese „Technologie des Grauens“ verfügen, die nach dem bereits von Kepler entdeckten Provenienz-Prinzip funktioniert. Die Stasi-Unterlagen schufen nun Gewißheit. Vermutlich handelte es sich um den größten Asteroidenraub der Geschichte, heißt es aus dem „Report“-Studio. Immerhin hatten Astronomen in den letzten Jahren rund 3.000 Stück des „planetarischen Kleinviehs“ (Carl Sagan) vermißt. „Sie waren einfach weg, obwohl wir über ihre Bahndaten verfügten“, zitiert das Magazin den Leidener Astronomen Mus van Vlaumen. Er leitet das Königlich-Niederländische Hochlandobservatorium, das man weltweit als „Mekka der Asteroidenfreunde“ bezeichnet. „Wir waren über das Verschwinden entsetzt. Asteroiden sind für unser Planetensystem ja dasselbe wie das Lametta für den Weihnachtsbaum“, sagt Professor van Vlaumen. Über die Zahl der Opfer unter seinen Schützlingen kann er nur spekulieren: „Sie liegt vermutlich in astronomischer Höhe, wahrscheinlich beträgt sie ein Zehntel der Masse des Mondes. Aber selbst, wenn es ein Elftel wäre, bliebe das nur ein bitterer Trost.“

Klar aber ist: Die geheime Kommandosache der Stasi lief unter dem Codewort „Himmlischer Frieden“. Für den Bürgerrechtler Utz Knulf, Mitbegründer des Neuen Forums und Hobbyastronom aus dem thüringischen Greiz, ist das ein erneuter Beweis für den Zynismus von Honeckers Schergen: „So hätten sie es auch mit uns gemacht. Doch zum Glück waren wir stärker“, erklärt Knulf den Fernsehreportern. Der mutige Mann, im Hauptberuf Bibliothekar, weiß, wovon er redet. Bereits 1986 hatte ihm die Stasi den Gebrauch von Fernrohren verboten. „Nicht einmal ein Opernglas durfte ich kaufen“, erinnert sich Knulf, der auch den Zweck der Aktion „Himmlischer Frieden“ herausfand: Mielke sei vollkommen vernarrt in Asteroiden gewesen, die er überall in Haus und Garten aufstellen ließ. Sein taubstummer sorbischer Kammerdiener habe sie jeden Tag abstauben müssen. Und bei geheimen Stasi- Feiern habe Mielke zur Generalsuniform sogar einen Asteroidengürtel getragen.

Als eine Spätfolge der Stasi-Untaten wertet der Bürgerrechtler den derzeitigen Erdanflug der eigentlich gutartigen, aber noch viele Rätsel bergenden kleinen Gesellen aus den Tiefen unseres Sonnensystems. „Wahrscheinlich geht es ihnen um Genugtuung“, gibt Knulf zu bedenken. Die Verbrechen des Kommunismus, so warnt er, könnten sich nun an uns allen rächen. Deshalb dürfe sich deren Aufarbeitung „rückhaltlos und ohne Wenn und Aber“ nicht um einen Tag länger verzögern. Johannes Brauer

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