■ Thomas Ebermann, Sprecher der Grünen–Bundestagsfraktion in Bonn, zur Frage, weshalb der Sieg der GAL in Hamburg etwas schmaler ausgefallen ist taz: Die GAL hat in Hamburg herbe Verluste erlitten. Woran hats gelegen? Ebermann: Ich sehe drei Gründe: Das erste Element heißt Trend. Infas analysiert, daß „einzelne politische Sachfragen diesmal dem Wähler unwichtiger waren“ und schreibt weiter: „Dominierendes Thema war die Regierbarkeit“. Nach Hessen gab es massive Angst vor einer schwarzen Republik; de Devise hieß: Hauptsache nicht CDU. Damit blendet ein Teil der Wähler aus, daß die SPD nach Verhandlungen mit der CDU selbst von mehr als 80 CDU sprach. Diesem geschürten Trend war mit keiner Taktik vollständig beizukommen. Zweitens hatten wir ein Sperrfeuer gegen uns, aus den großen Medien, den Medien unseres Umfeldes und aus unserer Partei, wie ich das bisher noch nicht erlebt habe. „Bündnisverweigerer, Idioten, Schaden für die Partei“ waren wochenlang die Stichworte. Ein solches Sperrfeuer hatimmer auch Kronzeugenfunktion und bestätigt zwischen der SPD und uns stehende Wähler in ihrem Hang zum kleineren Übel. Drittens haben wir uns als GAL zu wenig angestrengt, die inhaltlichen Kontroversen der Stadt in den Mittelpunkt des Wahlkampfs zu stellen. Wir waren vielleicht zu selbstsicher, daß die schroffe Ablehnung der SPD an die GAL im November Schuldzuweisung an uns verhindern würde. Werden jetzt nicht im nachhinein die Wähler beschimpft? Hätte die GAL den Wunsch, nicht die CDU regieren z sehen, respektieren und aufgreifen müssen? Aufgreifen in der Hinsicht: Okay, die SPD verlangt von uns Koalition, dann stehen wir dafür zur Verfügung oder streichen den Tolerierungskatalog zusammen? Das wäre politisch verheerend. Das wäre nicht einmal wahlpolitisch erfolgreich gewesen, weil uns die SPD dann neue Examen, etwa zur Gewalt, auferlegt hätte. Diesen Ausweg gibt es nur scheinbar. Aber vielleicht hätte die GAL glaubwürdiger eine Zusammenarbeit anbieten und dafür den Tolerierungskatalog nidriger hängen müssen. Vor fünf Jahren hatten wir ein Umfeld, auch in der taz, das uns aufforderte, unnachgiebig zu sein. Nun sind die Atomkraftwerke nicht ungefährlicher geworden. Deswegen finde ich es falsch, nach einer gewonnenen Wahl im November, für die alle Teile der GAL bereitwillig die Verantwortung übernommen haben, die eigenen Forderun gen zu reduzieren, nur weil nach Hessen eine große Kampagne zugunsten der SPD und der Furcht vor der schwarzen Republik gestartet wurde. Nun wird der GAL j vorgeworfen, daß sie durch eine dogmatische Politik der SPD Wähler in die Arme trieb und damit Reformchancen mutwillig verspielte. Der Vorwurf ist falsch. Der Kurs Dohnanyis: Keinen Millimeter und nur mit einer vollkommen domestizierten GAL als drittliebstem Gesprächspartner, hätte angehalten, auch wenn die GAL–Minderheit sich durchgesetzt hätte. Wir müssen begreifen: Die SPD–Rechte marschiert, Rau–Kurs ist angesagt, Lafontaine macht sich zum Sprecher dieser Rechtswende in der SPD. Wir kommen in ine Phase, wo die SPD jede Bündnisbereitschaft mit den Grünen verwirft. Da hinterherzuhecheln ist politisch katastrophal. Unterm Strich lautet ja Deine Analyse, die Realos hätten das Ergebnis mitzuverantworten. Ist das nicht ein bißchen billig? Ich weiß nicht, wieviel besser wir dagestanden hätten, wenn es uns im Wahlkampf gelungen wäre, unsere Veränderungswünsche besser zu vermitteln. Ich weiß nur, daß vor und nach Duisburg auch von Grünen dem Wechselwähler viel Bestätigung gegeben wurde, daß wirdie zu verteufelnden Betonköpfe sind. Das hat unsere Politik erschwert. Ich behaupte ja nicht, daß das unsere Wahlniederlage ausgemacht hat. Jetzt gibt es realpolitisches Triumpfgeheul, Schroffheiten und Demagogien. Aber ich bin überzeugt, daß realpolitische Landesverbände vor denselben Problemen stehen, wenn die SPD mit der FDP eine Regierungsmehrheit glaubhaft machen kann, wenn die Grünen auf Veränderung beharren und nicht bedingungslos zur Verfügung stehen. Ist die Hamburg–Wahl nicht eine Grundatz–Wahl gewesen? Was heißt das für die künftige Strategie der „Linken“ in den Grünen? Wir werden wieder politisch– inhaltliche Forderungen in den Mittelpunkt stellen. Wir müssen mit aller Kraft Inhalte popularisieren, so daß z.B. das Problem der Atomkraftwerke nicht vor der Frage, wer uns regiert, verblaßt. Es gibt keinen anderen Weg, in dieser Gesellschaft die langweilige Polarität zwischen kleinerem und größerem Übel aufzubrechen.
20.5.1987