■ Nachdem Rußland letzte Woche den Rubel abgewertet und seine Schuldenzahlungen ausgesetzt hat, suchen Anleger nach einem sicheren Hafen für ihr Geld. Aber der Sturm hat außer Asien und Rußland auch Südamerika erfaßt. Die Menschen in Rußland spüren die Krise im Geldbeutel.
■ Die Preise in Rußland halten inzwischen mit der neuen Rubelrealität Schritt: Wer keinen Acker auf dem Lande oder Dollar-Rücklagen besitzt, den bringen die Preissteigerungen jetzt in arge Bedrängnis
■ Sollte der Rubel abgewertet werden, dann wird er nicht nur den angeschlagenen Yen mit sich reißen. Die Abwertungsrunde könnte auch zum befürchteten Fall des chinesischen Yuan führen
■ Die französische Regierung hat maßgeblich für das Zustandekommen der Währungsunion gesorgt. Jetzt aber findet sich die Grande Nation nicht wieder in der Währungsunion à la Waigel
■ Mit der Festlegung der Wechselkurse haben die EU-Finanzminister bereits Fakten geschaffen. Währungsspekulanten haben jetzt kaum noch Chancen, Kurskorrekturen zu erzwingen
■ Wie wird man dem selbstgesetzten Superlativ einer als „historisch“ angekündigten Parlamentsdebatte gerecht, wenn sich die Kontrahenten zum Thema doch alle einig sind? Der Kanzler macht sich selbst überflüssig und verabschiedet sich mit Dank an die Vorgänger – seinen großen Abgang aber hat er gestern endgültig verpaßt. Und die Opposition? Die Sozialdemokraten bekräftigen ihre entschiedene Ambivalenz zum Euro. Joschka Fischer verlangt, die europäische Integration überzeugend voranzutreiben.
■ Euro-Ambivalenz der Opposition: SPD-Kandidat Schröder sucht nach „guten Gründen“, die D-Mark abzuschaffen. Joschka Fischer verlangt eine weitergehende europäische Integration
■ Nun freuen sich die Sanierer, daß sich die Roßkur, die sie ihren Ländern verpaßt haben, gelohnt hat. Proteste hat es außer in Frankreich in Italien, Spanien oder Belgien kaum gegeben
■ Der Euro lockt, und die Regierungen der meisten Mitgliedsstaaten der EU haben ihren Ländern einiges abverlangt, um die Kriterien für ein Ticket zur Europäischen Währungsunion einzuhalten. Gestern lagen die Konvergenzberichte von elf EU-Mitgliedern komplett vor: Alle Teilnahmewilligen blieben unter der 3-Prozent-Marke. Der deutsche Wirtschaftsminister konnte stolz den Traumwert von 2,7 Prozent Neuverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt verkünden. Aber um welchen Preis? Bezahlt haben die Kanken die immer mehr für ihre Medikamente drauflegen müssen. Bezahlt haben auch die Arbeitnehmer durch steigende Rentenversicherungsbeiträge. Und für Schienen, Gebäude und Schulen ist auch nichts mehr da.
Historiker, Diplomaten, Bankiers und Betroffene versammeln sich heute in London zur Nazigold-Konferenz. Sie wollen die Raubzüge der Nazis weiter aufhellen und klären, ob mit dem verfügbaren Rest des Raubgoldes die jüdischen Opfer entschädigt werden können ■ Von Christian Semler