Arte-Serie „Durch die Nacht mit...“: Herren ohne Anstand
John Landis und Terry Gilliam ziehen für Arte (7.7., 23.30 Uhr) durch das nächtliche London. Das ist ein alberner, anarchischer und vor allem sehr kurzweiliger Abend.
Über Erektionen redet man nicht, zumindest nicht auf dem Friedhof von London. Das muss der arglose Passant mit dem Fotoapparat dann doch anmahnen, als es diese zwei Kindsköpfe vor einem Grab zu weit treiben.
Zu feixen, die arme Seele darin würde sich seit 40 Jahren verzweifelt den Weg aus dem Erdreich bahnen wollen, weshalb das Grab schon ganz schief anzusehen ist, ist das eine. Dem heillos Eingeschlossenen in seiner Not aber noch schallend lachend Morgenhärte zu unterstellen, das geht zu weit. Und das in diesem Alter: Über 60 der eine, über 70 der andere.
Ob der Mann weiß, wen er da mangelnder Pietät zeiht? Dass die beiden für einige der schönsten und witzigsten Filme verantwortlich zeichnen, ist den wunderlichen älteren Herren jedenfalls nicht anzusehen.
John Landis drehte die „Blues Brothers“ und „Die Glücksritter“ und ist so herzlich amerikanisch wie Bubblegum, der Times Square und Coca Cola. Terry Gilliam, längst in Europa eingemeindeter Exil-Amerikaner, erstellte einst die Animationen der Monty Pythons, ist mit Filmen wie „12 Monkeys“ und „Brazil“ der letzte große Phantast der europäisch-verschrobenen Filmkunsttradition und berüchtigt für seine chronisch unterfinanzierten, zuweilen abgebrochenen Filmprojekte. Kurz: Mit ihrem je eigenen anarchischen Gemüt ist den beiden erst einmal nichts heilig.
Glänzend erzählte Anekdoten
Für Artes lässig schöne Personality-Show „Durch die Nacht mit...“ erkunden die beiden nun mit einem Kamerateam an ihrer Seite das Nachtleben Londons. Vom noch taghellen Friedhof aus geht es unter anderem in die Oper, in die Tate Modern und zum Piccadilly Circus, dessen heute cleaner Look Landis die einst dort ansässigen Schmuddelkinos betrauern lässt, vor denen er 1981 „American Werewolf“ drehte.
Es ist ein enorm kurzweiliger Abend, in dessen Verlauf Landis zu einem wahren Füllhorn glänzend erzählter Anekdoten reift. Die Geschichte, wie er einmal in Disneyworld mit Michael Jackson und Mickey Mouse wegen rasender Jacko-Fans um sein Leben fürchtete, muss man nicht deshalb hören, weil sie an sich sonderlich witzig wäre. Es reicht, dass Landis ein begnadeter Meister in der amerikanischen Kunst ist, „What the fuck“-Momente bis ins kleinste Detail auszuschmücken.
Kein Wunder, dass der Mann gerne für Dokumentationen über Trashmovies vor die Kamera geholt wird, über deren Irrsinn er sich freuen kann wie ein Schneekönig. Dass Terry Gilliam, mit obskurem Hippie-Vokuhila und speckiger Lederjacke, neben solch sprudelnder Fröhlichkeit manchmal ein bisschen alteuropäisch mürbe erscheint, ist somit leicht verzeihlich.
Rührend aber, wie er beim Candle-Light-Dinner zwar stolz von seinen Facebook- und Internetexperimenten erzählt – seinen neuen Kurzfilm „The Wholly Family“ verkauft er exklusiv im Netz – dann aber beim besten Willen nicht mehr auf die Adresse seiner Website kommt.
Eigentlich kann das ewig so weitergehen: Zwei Kindsköpfe mit unbekümmertem Gemüt erzählen Unsinn höheren Rangs. Nebenbei, ganz alte Regiehasen, machen sie ihrem Kamerateam noch das Leben schwer, das sichtlich seine Not hat, continuity in den Salat zu bringen. Den beiden, wie sie da durch London streifen, ist nichts heilig.
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