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Archiv-Artikel

Polizei total verpeilt

Zwei Beobachter der neonazistischen Szene aus Schleswig-Holstein fanden in der Stoßstange ihres Autos einen Peilsender. Die Indizien deuten auf einen missglückten Überwachungsversuch hin

VON ANDREAS SPEIT

Seit langem dokumentieren Daniel Schenk und Frank Knuppe (Namen geändert) die Entwicklung der neonazistische Szene im Norden. Ihre Bilder von öffentlichen Aufmärschen der NPD und der „Freien Kameradschaften“ nutzen verschiedene Printmedien regelmäßig. Ihren Hinweisen auf konspirative Veranstaltungen gehen Journalisten auch oft nach. Gestern montierten Schenk und Knuppe vor dem Gebäude der taz nord-Redaktion in Hamburg einen Peilsender von ihrem Auto ab. „Der GPS-Sender kann nur von einer staatlichen Behörde sein“, sagt Schenk, auf den der Wagen angemeldet ist.

Ein leicht herunterhängendes Kabel eines „Global Positioning Systems“ war den beiden aufgefallen. In der hinteren Stoßstange des PKWs fanden sie einen kleinen Sender und eine etwas größere Batterie. Alle Geräte waren versteckt mit Magneten angebracht. „Die Peilanlage hätten wir gar nicht bemerkt“, sagt Schenk. Erst als sie unter dem Wagen lagen, konnten sie die Anlage sehen, die in kurzen Abständen grün aufblinkte. „Ich wollte das erst nicht glauben“, sagt Knuppe. Vor knapp zwei Wochen hatte Schenk den PKW gekauft. Dass Neonazis den Sender angebracht haben könnten, schließen die beiden aus. Sie hätten das Fahrzeuge noch nicht zu Recherchezwecken genutzt. Neonazis hätten bislang keine Chance gehabt, sich dem Auto zu nähern.

Die Nummerierung des Gerätes erhärtet den Verdacht, dass eine Behörde die Überwachung durchführte. Auf dem schwarzen Gehäuse des Senders befindet sich die rostfarbene Nummer 20. Die Platine im Inneren, in der die Sim-Karte steckte, zierte, fein mit Kugelschreiber geschrieben, die Zahl „148“. Die gute Materialqualität – Antenne von einer renommierten Firma, auch die Sim-Karte von einer bekannten Marke – zeigen, dass die Überwacher keine Kosten scheuten.

Schenk und Knuppe leben in einer kleinen Stadt in Schleswig-Holstein. Die möglicherweise zuständigen Innenministerien und verantwortlichen Polizeistellen hat gestern Britta Eder, die Anwältin der beiden, per Fax angeschrieben. Ebenso die Verfassungsschutzämter in Hamburg und Schleswig-Holstein. Eder will jetzt wissen: „Wer hat diese Maßnahme angeordnet, und auf welcher Rechtsgrundlage?“

Denn die Polizei darf nach der Strafprozessordung nur bei einem Anfangsverdacht ein GPS-System verwenden, um gegen den Fahrzeughalter zu ermitteln. Bei einer längere Observierung muss eine richterliche Anordnung vorliegen. Nachrichtendienste und Verfassungsschutzbehörden dürfen aber ungeniert GPS-Daten abrufen.

Mit dem Peilsender können staatliche Behörden Fahrzeuge jederzeit bis auf fünf Meter genau orten. Über Satellit und Handynetz werden die Daten von den Behörden abgerufen. Das lästige Hinter-den-Verdächtigen-Herfahren ist längst nicht mehr nötig. Die stetige Verschärfung der Überwachungsmöglichkeiten werde mit der Bekämpfung des „internationalen Terrorismus“ begründet, sagt Eder. Mittlerweile fänden so „massenhafte Eingriffe in die Privatsphäre“ statt. Eder möchte von den Behörden denn auch „bitte sehr erklärt haben, was gegen die Betroffenen vorläge, das solch eine Maßnahme rechtfertigen könnte“.

Das schleswig-holsteinische Innenministerium hielt sich auf Nachfrage der taz bedeckt. Nach Stunden erklärte der Pressereferent des Minsteriums Thomas Giebeler: „Das Innenministerium äußert sich nicht zu Observationsmaßnahmen der Polizei, weder ob welche durchgeführt wurden, noch ob keine durchgeführt wurden.“

Diese Aussage deutet darauf hin, dass der Verfassungsschutz nicht involviert ist. Der Fall lasse einmal mehr befürchten, dass es kein Anliegen des Staates sei, „antifaschistische Aktivitäten“ zu motivieren, meinen Schenk und Knuppe. Vielmehr werde jeder Ansatz genutzt, „diese Arbeit zu kriminalisieren“.