AUGUST: ELBFLUT – ES KANN IMMER NOCH SCHLIMMER KOMMEN
: Sommerhochwasser gab es früher nie

Ob die Flut im kürzlich eingerichteten Untersuchungsausschuss Wahlbetrug auch eine Rolle spielen wird? Schließlich hat das Wasser von Weißeritz, Mulde und Elbe zum Wahlsieg von Rot-Grün beigetragen. Wo kam es mitten im August überhaupt so plötzlich her? Wahrscheinlich wird die Opposition untersuchen, ob der Kanzler nicht den Wasserhahn aufgedreht hat, um sich dann mit sorgenzerfurchtem Gesicht und in Gummistiefeln in einer Pfütze ablichten zu lassen und Trost zu spenden.

Ich kann mich nicht erinnern, in meiner Kindheit, die ich mitten in der Elbe verbracht habe, ein Sommerhochwasser erlebt zu haben. Hochwasser kam im Frühjahr oder kurz vor Weihnachten. Damals sprach noch niemand von einer Klimakatastrophe, die Überflutungsgebiete waren auch noch nicht mit Baumarkthäusern zugebaut, die, wie wir während der Flut im Fernsehen sehen konnten, sogar schwimmen können. Damals stank der Fluss wie eine Kloake und war alles andere als blau.

Eigentlich war für die Elbe das wesentliche Datum des Jahres schon vergeben: Es war der 14. Juli, als der Fluss offiziell wieder zum Baden freigegeben wurde, nachdem er ein ganzes Industriezeitalter lang vergiftet worden war. Manch einer, der einen Monat später beim Sandsackschippen auf den Deichen stand, hat von „Rache is Blutwurscht“ gesprochen. Die Elbe hatte zurückgeschlagen, und mit dem Baden war es vorerst wieder vorbei. Für die von der Flut betroffenen Ostdeutschen hat sich einmal mehr bestätigt: Es kann alles immer noch schlimmer kommen. Trotzdem, man muss nicht das Hölderlin’sche: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ strapazieren: Katastrophen entfalten ihre eigene Dialektik. Es gab viel Solidarität und Anteilnahme in diesen Tagen.

Im dritten Jahr des neuen Jahrhunderts hat man leichtsinnigerweise von einer Jahrhundertflut gesprochen. Im November war der Pegel der Elbe schon wieder weit über normal, nur ohne Fernsehkameras. ANNETT GRÖSCHNER