Wie die zugefrorene Alster

Begehbare und bewachsene Hafenbecken, mediterran-verspielte Elemente als Kontrast zu geraden Blockkanten: Die Barcelonerin Benedetta Tagliabue hat den Wettbewerb für die Gestaltung der Freiflächen in der Hafencity gewonnen

„Entwürfe, die sich auf den ersten Blick aus anderen Kulturen abzuleiten scheinen“

von GERNOT KNÖDLER

Wenn es nach Benedetta Tagliabue geht, werden Sie in ein paar Jahren auf dem Grasbrookhafen spazieren gehen können. Die Architektin aus Barcelona hat mit ihrem Büro EMBT den Freiflächen-Wettbewerb für die westliche Hafencity gewonnen. Die Idee ihres Entwurfs sei ganz einfach, sagt sie: „Wir wollen die verloren gegangene Verbindung zwischen den Menschen und dem Wasser wiederherstellen.“

Dass sie diesen Satz, der als Motto der Hafencity gelten kann, nicht nur als Lippenbekenntnis vorgetragen, sondern in einen eigenwilligen Entwurf verwandelt hat, trug ihr den Sieg ein. Oberbaudirektor Jörn Walter versicherte, es sei „Ziel, das so auch umzusetzen“. Im Herbst 2003 soll damit begonnen werden.

Auf den ersten Blick fällt an Tagliabues Konzept die starke Verbindung zwischen den Plätzen an den Kopfenden der Hafenbecken mit dem Wasser auf: Die Plätze erstrecken sich über eine Straße hinweg in die Hafenbecken hinein. Ihre wohl originellste Idee hatte die Architektin dabei für den Steg, an dem die Sportboote im Grasbrookhafen einmal liegen sollen: Er besteht aus schwimmenden Plattformen, die sich wie vor 100 Jahren die Schuten an einem Frachtsegler aneinanderdrängen. Dabei schaffen sie einen begehbaren Platz, der bis in die Elbe hineinreichen soll.

Einige Schuten will Tagliabue bepflanzen lassen. Sie wolle „die offenen Flächen auf dem Wasser auf ein menschliches Maß reduzieren“, sagte die Architektin. Wird ihr Plan umgesetzt, könnte es ihr gelingen, die Perspektive, aus der die Hafencity üblicherweise betrachtet wird, umzudrehen: Zum wichtigsten Element würden die Wasserplätze – so wie die Alster, wenn sie zugefroren ist.

Tagliabue setzt den strengen, geraden Blockkanten des geplanten Viertels verspielte, verschlängelte Strukturen in den Parks und auf dem Wasser entgegen. Ihr Büro EMBT hat auch die bunt-schiefe Jugendmusikschule am Mittelweg gebaut.

Bernd Tiedemann, der Geschäftsführer der städtischen Gesellschaft für Hafen- und Standortentwicklung (GHS) entschuldigte sich fast für den Mut, Entwürfe gewählt zu haben, „die sich auf den ersten Blick aus anderen Kulturkreisen abzuleiten scheinen“. Allerdings stehe man damit „ganz in der Tradition der mediterran beeinflussten Gestaltung von Rathausmarkt und Alsterarkaden“. Die Stadt gibt ihrem Ehrgeiz, die Hafencity zu etwas ganz Besonderem zu machen, offenbar dort Raum, wo sie allein zu bestimmen hat.

Der Park hinter dem Sandtorhafen wird Tagliabues Plänen zufolge aus Hügeln und Wasserbassins bestehen. Bänder im Boden führen über den Kibbelsteg hinweg zu einer Terassenanlage, die zum Wasser hin abfiele. Ein beweglicher Steg verbindet das hochwassersichere Warftenniveau mit dem schwimmenden, geschwungenen Steg des geplanten Museumshafens. Der schmale Park hinter dem Grasbrookhafen soll einen langen geschwungenen Laubengang erhalten.

Zu Tagliabues Konzept gehört ein Projekt des Künstlers Thomas Bayrle aus Frankfurt am Main. Dieser will die Realität der Medienstadt Hamburg mit im Planungsgebiet verteilten Objekten abbilden, die das Layout einer Zeitungsseite aufgreifen: Das könnten Geländer, Sitzgruppen, Bushäuschen und Schilder sein, an denen zum Teil echte Nachrichten gezeigt werden.

Die Siegerentwürfe sind in den nächsten vier Wochen im Kesselhaus am Sandtorkai zu sehen. Täglich außer Montag von 10 - 18 Uhr. Neujahr 12 - 18 Uhr, Heiligabend und Silvester geschlossen.