Werke als Anträge

Kunst goes Trainings-Medium: Das Museum Neue Weserburg weitet seine Irritations-Angebote aus

Mit Kultur geht alles besser. BMW und „Hipp“, der Babynahrungskonzern, lassen ihre Auszubildenden kreativ schulen, die Drogeriekette „dm“ stellt Theaterpädagogen ein und speziell Bremen ist geradezu eine Hochburg des Experimentierens mit Kultur als Trainings-Medium für soziale Kompetenzen.

Seit kurzem gibt die Kammerphilharmonie Managern die Gelegenheit zum „Saiten-Wechsel“. Der Gedanke: Führungskräfte sollen von den non-verbalen Kommunikationsabläufen in einem Orchester lernen, sollen am spezifischen Zusamenspiel verschiedener Individuen nachvollziehen, wie ein maximaler gemeinsamer „Output“ erzeugt werden kann.

Während die Kammerphilharmoniker ihre Karriere als Management-Trainer gerade erst begonnen haben (worin sie übrigens dem New Yorker Orpheus Orchestra nacheifern), ist das Museum Neue Weserburg auf dem Teerhof fast schon ein alter Hase in Sachen pädagogischer Kulturnutzung. Seit zwei Jahren übt man sich hier in „Kunst am Beamten“: Die Auszubildenden des Landes Bremen können in Wahlpflichtkursen lernen, wie es sich anfühlt, voller Unverständnis einer Sache gegenüberzustehen.

Schließlich ist jeder Mensch nicht nur ein Künstler, sondern auch ein potenzieller Antragsteller – oder, wie der Ausbildungsvertrag zwischen Museum und Land Bremen formuliert: „Gerade die Gegenwartskunst bietet das Potenzial, das Erfahren und die Reflexion der Vielschichtigkeit eines Sachverhaltes, der Unterschiedlichkeit verschiedener Wahrnehmungsperpektiven und der Vielzahl von Handlungsoptionen zu unterstützen.“

Offenbar ein fruchtbarer Ansatz. Die Schüler kämen zunächst immer mit den gleichen Vorurteilen und Sprüchen („meinen nächsten Sperrmüll verkauf ich auch ans Museum“), erzählt Holger Wendel, stellvertretender Leiter der Bremer Verwaltungsschule, die schon 145 Zöglinge zur Zeitgenössischen Kunst geschickt hat.

Und was passiert dann? Hanne Zech von der Weserburg stellt zunächst klar: „Es geht nicht um kreatives Basteln oder Trommeln vor Bildern.“ Aber: Gute Kunst habe den Vorteil, vielschichtig zu sein, so dass man mit ihr als Sparringpartner lernen könne, „der erste Zugang zu einem Verwaltungsfall oder Kunstwerk muss nicht der einzige sein“, wie Verwaltungslehrer Rainer Kulmann ergänzt.

Nun, nach acht Kursen à 30 Stunden, wird das Projekt auf weitere drei Jahre verlängert. Und: Nicht nur die Azubis, auch Führungskräfte sollen sich von Christo&Co produktiv irritieren lassen. Im Februar starten drei Kurse mit jeweils 15 TeilnehmerInnen. Zunächst noch für Nachwuchs-Führungskräfte, die höheren Chargen sollen dann durch Mundpropaganda gewonnen werden.

„Wir können uns statisch denkende Führungskräfte immer weniger leisten“, betont der für Aus- und Fortbildungen zuständige Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU). Er möchte selbst an entsprechenden Kursen teilnehmen. Henning Bleyl