SPRINGERS TV-AUSSTIEG HAT NICHT VIEL MIT DER ZEITUNGSKRISE ZU TUN
: Sie können es gar nicht

„Ganz oder gar nicht“, heißt nach eigenem Befinden die Marschroute von Mathias Döpfner. Und zwar schon immer, wie der Vorstandschef des Axel-Springer-Verlags jetzt im Spiegel-Interview versichert. Also kommt beim TV-Geschäft, wo „ganz“ nicht so ganz funktioniert hat, jetzt „gar nicht“ an die Reihe: Raus aus der ProSiebenSat.1-Gruppe und wohl auch aus TV-Produktionen überhaupt. Darüber darf man sich ruhig freuen. Denn dem Medienmarkt tut der Ausstieg gut.

Es hat durchaus seinen Sinn, dass Überkreuzbeteiligungen zwischen überregionalen Zeitungen und Free-TV etwa in Großbritannien nach wie vor verboten sind. Speichelleckende Kai-Diekmann-Porträts im Nachrichtensender N 24 oder Cross-Promotion für Sat.1- und ProSieben-Formate in Springers Flaggschiff Bild sind nur die harmlosesten Auswüchse solcher Nähe. Das kann man deutlichst an der Springer-Berichterstattung über Leo Kirch und sein Imperium sehen: Erst gab’s nichts Schlechtes über Leo zu lesen, später, als der Streit über Springers Beteiligung an der Gruppe entbrannte und man wiederum Kirchs Beteiligung an Springer nicht mehr so gerne sah, drehte sich der Wind. Was bei Springer „Konzentration aufs Kerngeschäft“ heißt, bedeutet in der Praxis eine wohl tuende Entflechtung. Nur: Jetzt wie Döpfner die Gründe für den Ausstieg aus dem TV-Geschäft in der „konjunkturellen Gesamtlage“ zu suchen, durch die „die Risiken eher größer geworden“ seien, ist unehrlich. Der Einstieg des Bauer-Verlags bei ProSiebenSat.1 zeigt, dass man da auch anderer Auffassung sein kann. Der Grund, warum der Springer-Verlag eigentlich aus dem Fernsehgeschäft aussteigt, ist banaler: Er kann es einfach nicht. Das zeigen fulminant gescheiterte Formate wie Newsmaker ebenso wie die Tatsache, dass offensichtlich niemand bei Springer bemerkt hat, dass die ProSiebenSat.1-Familie mit ihren zwei Premiumsendern und einem schlecht eingebundenen Nachrichtensender nicht funktioniert.

Ausgerechnet Döpfner, der für Springers Engagement in den Neuen Medien stand wie kaum ein anderer und dafür gesorgt hat, dass Springer im Internet ordentlich Geld versenkte, muss nun also anerkennen, dass der Verlag selbst in den Boomjahren „keine zufrieden stellenden Zahlen ablieferte“. Wenn er jetzt davon spricht, dass Springer in seinem Portfolio „etliche unprofitable und strategisch unwichtige Beteiligungen durchschleppte“, dann lag das nicht zuletzt daran, dass man eben nicht nach der Devise „Ganz oder gar nicht“ handelte, sondern wohl eher nach: Dabei sein ist alles – wie, ist egal. Bleibt zu hoffen, dass es jetzt wirklich beim „gar nicht“ bleibt. HEIKO DILK

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