Rotlichtaffäre stiehlt Kandidaten die Show

Am Sonntag wird in Montenegro ein Präsident gewählt. Doch die Bürger interessiert vor allem die Frauenhandel-Affäre

BELGRAD taz ■ Filip Vujanović ist ein viel beschäftigter Mann: Er amtiert als Parlaments- und Ministerpräsident Montenegros und tritt zusätzlich noch am kommenden Sonntag als siegesgewisser Kandidat der regierenden Koalition „Für ein europäisches Montenegro“ bei den Präsidentschaftswahlen an.

Zu viel des Guten auf einmal, selbst für einen Busenfreund von Expräsident Milo Djukanović. Doch die geplante Rochade der zwei Freunde an der Spitze der Adriarepublik – Präsident Milo löst Ministerpräsident Filip ab und vice versa – läuft nicht so glatt, wie man gehofft hatte. In die Quere kam eine Frau aus Moldawien, die behauptet, vom Vizestaatsanwalt Zoran Piperović zur Prostitution genötigt und physisch und psychisch misshandelt worden zu sein. Ihre Aussage vor dem Kreisgericht in Podgorica belastet mehrere angesehene Politiker und Geschäftsleute, so Staatsanwalt Božidar Vukčević.

Die Frauenhandel-Affäre in Montenegro überschattet die Präsidentenwahl und behindert vorübergehend die Bildung der Regierung. Djukanović, der das Mandat für die Bildung der Regierung erhalten hat, will Innenminster Andrija Jovičević ablösen. Denn dieser habe, „ohne ihn und Staatsanwalt Vukčević zu benachrichtigen“, Piperović und andere Personen unter dem Verdacht, „Prostitution organisiert und mit Frauen gehandelt zu haben“, verhaften lassen.

Die „Sozialdemokratische Partei“ (SDP), kleinerer Koalitionspartner von Djukanović’ „Demokratischer Partei der Sozialisten“ (DPS), ist jedoch dagegen. Jovičević sei ein ausgezeichneter Innenminister, man werde die neue Regierung nicht unterstützen, falls ihn Djukanović ablösen sollte. Die Freude nach den erfolgreichen Parlamentswahlen im Oktober ist Djukanović vergangen, die Parlamentsmehrheit scheint nicht mehr so sicher zu sein. „Innenminister Jovičević kennen wir seit Jahren als zuverlässigen Partner im Kampf gegen den Menschenhandel“, erklärte in Podgorica Helga Konrad vom Stabilitätspakt für Südosteuropa. Es sei milde gesagt ungewöhnlich, dass Djukanović ihn ablösen wolle.

Während Djukanović unerwartete Probleme bei der Regierungsbildung überwinden muss, ist sich Präsidentenkandidat Filip Vujanović seiner Sache sicher. Außer ihm kandidieren noch zehn „Outsider“. Der neben Djukanović’ „Für ein europäisches Montenegro“ einzige starke politische Block „Gemeinsam für Montenegro“ hat keinen eigenen Kandidaten und ruft zum Boykott der Wahlen auf. „Die Kandidaten erfüllen nicht einmal die elementaren Bedingungen für das Amt des Präsidenten“, erklärte Božidar Bojović, Chef der „Serbischen Volkspartei“ (SNS). Djukanović und seine „Gefolgschaft“ hätten allen Beamten mit Entlassung gedroht, falls sie nicht zu den Urnen gehen. Die „Willkür“ Djukanović’ sei nicht länger zu ertragen.

Doch die scharfe Kritik und der Aufruf zum Wahlboykott werden keine Auswirkungen auf das Wahlresultat haben. Im Gegensatz zu Serbien, dessen Wahlrecht – eine Beteiligung von über 50 Prozent in der ersten Runde – zwei Präsidentenwahlen in drei Monaten scheitern ließ, hat Montenegro sein Regelwerk realistisch gestaltet: Liegt im ersten Durchgang die Beteiligung höher als 50 Prozent und gewinnt ein Kandidat über 50 Prozent der Stimmen, gibt es einen Präsidenten. Falls nicht, ist in der neuen Runde nach zwei Wochen nur eine einfache Mehrheit notwendig, die Beteiligung irrelevant.

Die Bürger Montenegros zeigen überhaupt kein Interesse für die Wahl, die Vujanović spätestens Anfang Januar wohl oder übel gewinnen wird. Viel interessanter ist, ob noch jemand aus den Regierungskreisen wegen „Anstiftung zur Prostitution“ verhaftet wird. ANDREJ IVANJI